EDINBURGH. Ms er 1972 sein „Tubular-Bells“-Opus uraufführte, machten seine Nerven schlapp. So stressig hatte sich der damals 20jährige Sound-Tüftler seinen ersten Kontakt mit dem Publikum nicht vorgestellt. Ausgleichende Gerechtigkeit 20 Jahre später: Auch die Premiere von „Tubular Beils II“ (diesmal vor der Kulisse des Schlosses von Edinburgh) wurde wieder zur Zitterpartie — allerdings fürs Publikum: Angesichts frostiger Außentemperaturen bibberten selbst abgehärtete Schotten mit aus Kalifornien eingeflogenen Platten-Bossen um die Wette.
„Man sollte es einfach so wie eine Reise durch Disneyland oder einen Spielberg-Film nehmen“, hatte Oldfield die gewünschte Wirkung der beiden „Tubular Beils“ beschrieben. „Man muß sich fallen lassen — mit verschränkten Armen skeptisch herumzusitzen, das bringt es nicht!“
Es wäre angesichts der spektakulären Szenerie auch schwergefallen — angefangen bei der Light-Show, die das vorher im nächtlichen Dunkel schlummernde Schloß prächtig illuminierte. Obwohl Meister Mike selbst eher zurückhaltend auftrat (er war der einzige Musiker, der die Noten der von ihm kreierten Arrangements nicht lesen konnte und sich erforderliche Instrumentenwechsel in der Partitur mit Farbcodes markieren mußte), hatte er sein Publikum voll im Griff. Von der ersten Minute an. als er an der Seite eines befrackten Dirigenten durch Trockeneis-Rauchschwaden vor die 1 ököpfige Band trat, brachte er selbst ein paar gröhlende Musik-Hooligans zum Verstummen. Auch sie gaben sich den musikalischen Wechselbädern von Oldfields Mind-Movies hin, die nur geringfügige Konzessionen an die Tekknokratie der 90er Jahre machten — im filigranen Zusammenspiel mit den drei Gitarristen (darunter Westernhagen-Sideman Jay Stepley), Perkussionisten und Background-Sängerinnen hielt sich das Keyboard-Trio angenehm zurück. Den größten Szenenapplaus ernteten ohnehin die an der höchsten Stelle der Bühne thronenden Röhrenglocken. Obwohl am Ende 8.000 durchgefrorene Gebisse im Takt klapperten — eine Zugabe war nicht drin …
