Sonic Youth
Ganz beiläufig und unspektakulär geht es los. Thurston Moore, Steve Shelley, Lee Ranaldo und Kim Gordon schlurfen auf die Bühne wie zum Nachmittags-Soundcheck ohne Publikum. Doch dann stürzen sie sich in den knapp einstündigen Set, als ginge es um ihr Leben – diszipliniert, aber besessen, cool, aber nicht teilnahmslos.
Sonic Youth ist eine beeindruckende Pop-Band, und live gehört sie zu den besten. Was für ein Sound! GOO. das aktuelle Album, ist bestenfalls eine grob skizzierte Arbeitsgrundlage für diese Intensität, Dynamik und Dichte. Vor allem Drummer Steve Shelley rückt im Konzert von der Peripherie der Platte mit wirbelnden Tomtom-Gewittern und forciertem Bekken-Rauschen stärker in den Mittelpunkt des Sounds, wo Kim Gordon mit ihren wuchtigen Baß-Riffs lauert. Auf diesem Fundament lassen Thurston Moore und Lee Ranaldo ihre Saiten singen, kreischen, jubilieren und jaulen.
Wie keine zweite Band versteht es Sonic Youth, Lärm und klassische Songstrukturen lustbringend zu kombinieren. Die Hardcore-Seite ist dabei nie bloß Attitüde, reiner Selbstzweck oder cooles Kalkül nach dem Motto „Das können wir auch“. Sie reibt sich vielmehr stets aufregend am umfassenderen Pop-Kontext. Mit nahezu unfehlbarem Timing steuern die Soniker in den Intros oder Instrumental-Teilen einen Scheitelpunkt an, auf dem die Songs dann jeweils in eine andere, jedoch stets plausible Richtung aufbrechen.
Zunächst sieht es so aus, als wollte die Band ihre absolute Unabhängigkeit unter Beweis stellen, indem sie vor allem das Material des vorletzten Albums SISTER spielt und auf die neue Platte verzichtet. Erst später reihen sich die Song-Perlen von Goo nahtlos ins Repertoire ein: Mit der Ode „Tunic“ von Karen Carpenter und mit dem Volltreffer „Cinderella’s Big Score“ rückt vor allem Kim Gordon ins Zentrum. Doch letztlich bleibt Sonic Youth immer das große Kollektiv: ganz im Dienste dieses unvergleichlichen Sounds.
Schließlich noch zwei umjubelte Zugaben. Dann murmelt Moore, man müsse gleich noch ein paar Drogen einwerfen und sich um diesen „Nutten-Scheiß“ kümmern – was immer er damit wohl meint. Schließlich trollt er sich als Letzter von der Bühne. Selbst der schönste Lärm geht einmal zu Ende.