Michael Bolton
Nach einem Transatlantik-Flug noch vom Jetlag gebeutelt, war er eigentlich gar nicht mehr aufnahmefähig. Doch frischgebakkene Stars halten noch ihre Zusagen, und so kämpfte sich denn der Mann, der als Songschreiber Kiss und Kenny Rogers, Cher und Barbra Streisand bediente, konzentriert durch unsere Songauswahl. Auch wenn er als alter Profi harte Maßstäbe anlegte: So richtig weh tun wollte er doch niemandem.
Billy Idol: „Cradle Of Love“
„Klingt verdammt nach Billy Idol. Er hat einige tolle Platten gemacht, auch wenn mich seine Stimme immer kalt gelassen hat. Ich stehe halt auf einen ganz anderen Typus von Sänger, auf eine andere Art von Gesang. Obwohl ich eigentlich keine negativen Kommentare über Kollegen abgeben möchte: Allzu tiefschürfend ist die Nummer nun gerade nicht. Aber bei Idol läuft halt ohnehin viel über das Image.“
Gamma Ray: „Heaven Can Wait“
„Keine Ahnung, wer das sein könnte. Ein typischer Heavy Metal-Shouter, der den Song – sofern man davon reden kann – mit seinem Organ in Grund und Boden schreit. Ich bin nun mal ein sehr songorientierter Schreiber und kann dieser Musik nichts abgewinnen. Mein Gott, ich wußte gar nicht, wie brutal ich sein kann. Sagen wir es so: Wer immer da singt, hat eine kräftige Stimme.“
Robert Plant: „Anniversare“
„Robert Plant ist einfach nur gut. Er hat endlich wieder die Emotionalität gefunden, die ich auf seinen letzten Platten schmerzlich vermißt habe. Aber jedermann muß sich halt so ausdrücken, wie es seine Situation gerade verlangt. Und ich glaube, er ist sich selbst immer treu geblieben, auch wenn seine Platten sehr unterschiedlich ausfielen. Robert Plant ist unter den heutigen Sängern mit weitem Abstand einer der größten Stilisten.“
The Notting Hillbillies: „Railroad Worksong“
„Sind das nun Amis oder Engländer? Wahrscheinlich eher Engländer, dies nach Amerika verschlagen hat. Warum? Diese Art von Country-Musik ist für amerikanische Verhältnisse viel zu progressiv, zu gut gemacht und handwerklich zu modern. Mark Knopfler? Nun, Knopflers Gitarre ist über jeden Zweifel erhaben, während ich beim Gesang doch eher die Soul- und R&B-Variante bevorzuge. Auch vom Melodischen her ist dieser Song nicht gerade weltbewegend. Die Gitarrenarbeit hingegen ist so exzellent, daß man unterm Strich eigentlich mehr erwartet.“
Dave Edmunds: „Closer To The Flame“
„Gefällt mir, jedenfalls von der Richtung her. Klingt bisweilen wie der frühe Wilson Pickett oder wie R&B aus der Otis Redding-Schule, obwohl der Sänger kein typisches R&B-Organ hat. Ich nehme für mich nicht in Anspruch, in allen Stilrichtungen ein Experte zu sein, aber eins weiß ich: was in Amerika ein Hit wird oder nicht. Und das hier? Wie gesagt: Die Richtung gefällt mir, aber…“
Lisa Stansffield: „Live Together“
„Sie hat wirklich eine begnadete Stimme. Ist doch Lisa, oder? Die Kleine wird mal eine ganz Große, vorausgesetzt natürlich, daß sie immer substanzielles Material in die Hände bekommt. Sie ist allerdings eine der wenigen, die auch leichtgewichtige Songs überzeugend interpretieren kann.“
Carly Simon: „My Romance“
„Simply Red? Was, eine Frau? K. d. Lang vielleicht? Nein? Carole King ist es jedenfalls auch nicht. Carly Simon? Ist das dein Ernst? Der Sound ist nicht nur ganz anders als früher, auch ihre Stimme klingt völlig verändert. Dieser Blind Date ist wirklich ein harter Job. Aber wenn Carly Simon diese Richtung einschlagen will, bin ich der letzte, der ihr da reinreden will.“
Barry Manilow: „Brooklyn Blues“
„Barry Manilow. Richtig? Ich glaube sogar zu verstehen, in welche Richtung er mit diesem Titel gehen wollte. Trotzdem: Mit Blues hat das genauso wenig zu tun wie mit Brooklyn. Auch wenn er einige gefällige Platten gemacht hat: Das meiste Zeug ist reichlich flach, zu viel Cabaret, zu viel Las Vegas.“
Nick Lowe: „You Got The Look I Like“
„Seltsam. Ich höre viel Blues und R&B und denke mir zunächst: Das mag ich. Aber wenn sich dann der Sänger nicht gerade als Killer entpuppt, läßt es mich letztlich doch kalt. Ich höre keine Leidenschaft, sondern nur ein paar nette Gesangsvariationen. Ich bin in meinem Urteil eben sehr hart, was das eigentliche Instrument, nämlich die Stimme, betrifft. Und das hier ist nun mal nicht gerade eine Stradivari.“
Smokey Robinson: „Love Is The Light“
„Smokey singt einfach wahnsinnig gut. Selbst wenn sich sein Material inzwischen ständig wiederholt: Mit einem soliden Song wie diesem kann ich letztlich viel mehr anfangen als mit dem meisten, was ich auf eurer Cassette gehört habe.“