The Notting Hillbillies


Ursprünglich war eine Geheimtournee durch die englischen Pubs geplant: Alle Beteiligten quetschen sich in einen Kleintransporter, flitzen auf der Autobahn zu ausgewählten Bars an der Strecke und spielen guten alten Pubrock bis zur Polizeistunde. Aber solche Dinge entwickeln ihre Eigendynamik. Denn eigentlich war ja schon das Album MISSING … PRESUMED HAVING A GOOD TIME, das Mark Knopfler zuhause im Londoner Stadtteil Notting Hill mit Brendan Croker und Steve Phillips, zwei alten Freunden aus seinen Pub-Band-Tagen, aufgenommen hatte, als unbeschwertes Gegengewicht zu den tödlich ernsten Dire Straits gedacht – doch es wurde von der Plattenfirma als Schwerpunkt veröffentlicht und in die Top Ten gedrückt. Genauso sollte die improvisierte Pub-Tour ursprünglich als Gegenmittel gegen die großen Stadien und Konzerthallen laufen – doch daraus wurde schnell eine perfekt vorbereitete Tournee durch kleinere Hallen, mit strengen Roadies und numerierten Sitzplätzen. Der Unterschied zwischen den Dire Straits und den Notting Hillbillies reduzierte sich deswegen darauf, daß Knopfler jetzt lächelte. Vermutlich hatte er wirklich eine gute Zeit.

Das Publikum saß brav und erwartungsvoll auf Klappstühlen. Eine der Vorbedingungen für den Einlaß bestand anscheinend darin, daß keiner der Herren mehr Haar auf dem Kopf haben dürfe als Knopfler. Die Band – Knopfler im Anzug und mit gepunkteter Krawatte – sah aus wie eine Handvoll Bank-Manager auf einer Hochzeits-Fete. Aber ihr Spiel, ihr dreistimmiger Gesang, die drei synchron gezupften Gitarren und die dreifachen Harmonien sind so herrlich exakt, daß es klingt, als wären sie von der Schweizer Präzisions-Polizei ausgebildet.

Die Truppe besteht aus sieben Hillbillies: ein Steel-Gitarrist aus Nashville. Keyboarder Guy Fletcher (der neueste Angestellte der Dire Straits). ein junger Stehbassist, Schlagzeuger Ed Bicknell (im bürgerlichen Leben Manager der Dire Straits) und die drei singenden Gitarristen. Knopfler hält sich an der Seite auf und läßt Croker und Phillips in den ersten vier Country-Blues-Stücken abwechselnd die Führung übernehmen. Er begnügt sich mit einigen typisch knopfleresken Understatement-Zupfern im Hintergrund. In „Hard Time“ übernimmt er die Führung und erinnert an J. J. Cale. Phillips hat die beste Stimme.

Unter den 28 Songs des Konzerts – immerhin zu einem Fünftel des Eintrittspreises vier Titel mehr als David Bowie bot – finden sich Covers obskurer und besser bekannter Country- und Blues-Nummern, Albumtracks der Hillbillies und – sehr zur Freude des Publikums – vier Songs der Dire Straits, die man deshalb ausgewählt hat. weil sie von Blues- und Country-Musikern wie Jeff Healey. Waylon Jennings und The Judds („Water Of Love“) übernommen wurden. Während der gesamten Show scherzen die Bandmitglieder untereinander, rauchen Zigaretten und benehmen sich wie jede gute Pub-Band.

„Wir hatten eine sehr, sehr gute Zeit“, grinste Knopfler, dem die begeisterte Reaktion des Publikums offensichtlich gut tat. nach zweieinhalb Stunden. Und es war in der Tat ein Abend mit superbem Können und hervorragendem Sound. Nur eine Pub-Band war das nicht.