Love and Rockets
Ein pfirsichfarbener Vollmond hängt über dem Pazifik, sanft biegen sich raschelnde Palmwedel in der lauen Abendbrise. Vor dieser romantischen Kulisse des kalifornischen Strandparadieses sollten sich eigentlich nur knackig braune Luxuskörper tummeln. Doch weit gefehlt: Das Spektrum der Teints liegt an diesem Samstagabend zwischen schneeweiß und totenbleich; die Garderobe ist überwiegend schwarz, aber eher mini-kurz als wallend lang. Die fröhliche Trauergemeinde besteht aus kalifornischen Gruftis, Fans der neuen Kultband Love And Rockets.
Mit dem Kultstatus des englischen Trios dürfte es allerdings bald vorbei sein. Denn der erste Hit „So Alive“ landete immerhin auf dem fünften Platz der US-Charts. Doch das kalifornische Publikum scheint sich eher an der Vergangenheit von Daniel Ash, David J. und Kevin Haskins zu orientieren, die früher in der Gruppe Bauhaus mit düsteren Gothik-Schaudern flirteten. Grabkammer-Atmosphäre will indes in der County Bowl von Santa Barbara nicht so recht aufkommen – dafür funkelt der kalifornische Sternenhimmel einfach gar zu zauberhaft, und die künstlichen Nebelschwaden wabern zwischen den Palmen einfach nicht kalt und klamm genug.
Einstimmiger Jubel der Beach-Punks begrüßt die drei in Leder gewandeten Briten, die sich im Nebel auf ihre Plätze begeben, um mit Gitarren-Geschrammel und nervenzerrenden Rückkopplungen Gänsehaut-Feeling zu provozieren. Ein fauchender Geisterzug rattert durchs Stadion. Stroboskop-Licht flackert im lauen Sommerabend, und dann endlich zünden die Treibsätze einer gewaltigen Soundrakete. Die Band wirkt plötzlich wie ausgewechselt: Daniel spielt wie entrückt sein Saxofon, David bläst hingebungsvoll Mundharmonika, fulminante Gitarrensoli und melodiöse Baßläufe polstern das einfallsreiche Gerüst der Songs, die mit flotten Stilbrüchen überraschen. Auf ein babylonisches Rock-Wörterbuch der 80er Jahre folgt ein lockeres Swing-Intermezzo, das an Altmeister Glenn Miller erinnert. Versöhnliche Streichelklänge wechseln sich mit quietschenden Schock-Effekten.
Love And Rockets präsentierten sich nach jahrelangem stilistischem Herumtappen zwischen Underground und Grufti-Pop in Santa Barbara als eine mit allen Wassern gewaschene Band, die sogar noch mit der Zugabe überraschte: Unter frenetischem Beifall spielte Daniel ein zickiges Sax-Solo im Mini-Rock und mit schnell aufgetragenem Voll-Makeup.