Roland Gift


Daß er mit den Fine Young Cannibals die Charts erobert, registriert er mit Genugtuung, doch Musik ist für Roland Gift nicht der Nabel der Welt. Sylvie Simmons traf das Multi-Talent im Haus seines Malerfreundes Philip Diggle.

Im Erdgeschoß sitzt Roland Gift auf einem schwarzen Sofa, während ein Make-Up-Künstler sich mit der Behutsamkeit eines viktorianischen Ostereier-Bemalers an seinem Gesicht zu schaffen macht. Ein Stockwerk höher schleppt Philip Diggle gigantische Ölbilder in einen Raum, der aussieht, als hätte jemand eine Farbenfabrik verschluckt und an dieser Stelle wieder ausgekotzt. Wände, Decke und Dielenbretter (einige von ihnen herausgerissen und mittels Rahmen und Schildern in Ausstellungsstücke verwandelt) sind mit dicken Schichten farbenfroher, anarchisch-abstrakter Kunst bedeckt.

Überall da, wo sich der Künstler nicht ausgetobt hat, hängen Bilder von John Lennon und vergilbte Zeitungsausschnitte, die von Diggles steigendem Bekanntheitsgrad zeugen. Weiterhin sieht man Ausstellungsplakate und Erinnerungen an vier Gigs mit seinem Bruder Steve Diggle (ehemals bei den Buzzcocks) in Paris, wo er von 11 Uhr abends bis 6 Uhr morgens mit einer Wasserpistole Farbe auf die Wände einer Diskothek sprühte, während sein Bruder gitarrespieiend umherwanderte.

Roland Gift, Schauspieler, Musiker und ein Drittel der Fine Young Cannibals, besitzt zwei von Diggles Meisterwerken: „1939 Soviet-Nazi Non-Aggression Pact Or Taking Your Dog For A Walk“ und ein Bild aus der „Macbeth Suite“, in der es laut Künstler um „Blut und Aggression in unserer Gesellschaft“ geht.

„Philip steht dauernd vor der Tür und versucht, mir Bilder anzudrehen“ , lacht Gift. „Erfährt mit einem alten Ford Escon vor, bis zum Dach voll mit Bildern, wie einer von diesen Straßenverkäufern, die Gemüse und anderes Zeug anbieten. „

Eine zunehmend erfolgreiche Karriere als Musiker und Schauspieler ermöglicht es Gift, so etwas wie ein Kunstmäzen zu sein. Davon profitiert vor allem Philip Diggle, seit zehn Jahren Rolands Freund. „Wenn du schon etwas kaufst, ist es ganz nett, wenn du die Leute kennst. Ich kaufe Lebensmittel ja auch immer in dem selben Laden, weil ich die Leute da kenne. Zu den meisten Sachen, die man kauft, hat man keine Beziehung, weil sie in irgendeiner Fabrik von Leuten hergestellt werden, die meistens nur mit einem ganz kleinen Teil davon zu tun haben – niemand ist wirklich kreativ beteiligt.“

Er bewundert Philip, weil „er tut, wozu er Lust hat“. Das gilt sicherlich auch für ihn. Bei den Fine Young Cannibals stieg er ein, weil er dort zwei Gleichgesinnte fand, die neben der Band auch noch andere Schwerpunkte setzen. Andy Cox und David Steele produzieren (die Wee Papa Girl Rappers zum Beispiel), schreiben Filmmusik und haben unter dem Namen „Two Men A Drum Machine & A Trumpet“ eine House-Single veröffentlicht.

Gift begann seine Filmkarriere mit einem Auftritt der Band in „Tin Men“ (mit Richard Dreyfuss), spielte eine Hauptrolle in dem sozialkritischen Kassenschlager „Sammie und Rosie tun es“ und ist jetzt in England in dem Film „Scandal“ als Jazzmusiker und Geliebter von Christine Keeler zu sehen. Bewundern kann man ihn außerdem in Kürze in dem französischen Film „Zigzag“, einer englischen Fernsehserie über die ersten westindischen Einwanderer in England und einer Theaterinszenierung von „Romeo und Julia“ in seiner Heimatstadt Hull.

„Das Leben besieht zu einem erschreckend großen Teil aus Routine. Das ist einer der Gründe, warum ich so viele verschiedene Sachen mache. Wir sind alle Gewohnheitstiere und reagieren nicht mehr auf unsere Umwelt, wir machen einfach immer weiter, Jahr für Jahr, total desinteressiert an dem, was um uns herum vor sich geht. Das klingt ziemlich Hippie-mäßig!“, lacht er.

Philip Diggle bringt Kaffee. „Alles zu verkaufen“, sagt er. „Sogar meine Unterhosen.“