Madonna


Die 17000 Karten für die erste Nacht in der Radio City Music Hall waren Innerhalb von 34 Minuten weg; und auch die 100000 Karten für die eilig anberaumten Wiederholungs-Konzerte hielten nicht lange vor. An Souvenirständen verkaufen sich Madonna-Poster inzwischen besser als das Plastik-Empire State Bullding; sämtliche Hip-Kaufhäuser bieten Madonnas gesamte Secondhand-Garderobe In Neuauflage und richten zur Umsatzankurbelung Madonna-Lookalike-Wettbewerbe aus. „Desperately Seeklng Susan“, in dem sie die zweite Hauptrolle besetzt, Ist der Sommerhit in den Kinos, ein zweiter Film geht demnächst In Arbeit – und ein alter Pornostrelfen mit Madonna füllte wochenlang Schmuddelkinos und Klatschspalten. Um die Musik geht’s eigentlich weniger, beim Madonna-Fieber.

Trotzdem – Fräulein Ciccone bestand den Live-Test. Zwar nicht mit Bravour, aber sauber. Nach dem langweiligsten Rap-Act der Musikgeschichte (the Beastie-Boys, drei weiße Knaben, die weder tanzen noch rappen, geschwelge denn singen können und sich in erster Linie darauf beschränken, das Publikum durch dauernde Mitbrüll-Anweisungen zu nerven), war es dann endlich soweit zumindest 5000 kleine Madonnas zwischen acht und 30 kreischten sich mit ihren Boyfrlends die Seele aus dem Leib. Schnatternd und schwitzend brüllten die drei perfekt gestylten Grundschülerinnen (noch keine zehn) hinter mir zusammen mit einer amüsierten Mama jeden Refrain und schwangen dazu ihre Fäustchen in den obligaten Spitzenhandschuhen. Es gab chinesische, schwarze, braune und sogar männliche Madonnas, die wie gebannt auf die Hüften der Meisterin starrten, um die Schwünge nächsten Samstag auf der Party vorführen zu können. Um keine Zweifel daran zu lassen, daß wirklich jede Bewegung einstudiert wurde, hatte man ihr zwei tanzende Schatten an die Fersen geheftet, die fast keinen Ihrer Schritte ausließen.

Madonna ist die große Schwester, die sich alle Mädchen schon Immer gewünscht haben – sie kann mit den Männern machen was sie will, hat viel Erfahrung, gibt Unterricht im Masturbieren und Ist bei aller Verruchtheit raffiniert sensibel. Sie ist das tolle Mädchen von nebenan, bei dem die Jungs schwitzende Finger kriegen, wenn sie im Schulbus neben ihr stehen. Lustvoll wälzt sie sich um Ihren Lieblingsgitarristen und läßt keine Eindeutigkeit aus. Allerdings wirkt ihr berühmter Sex-Appeal auf der Bühne doch wie eine brave Reihenhaus-Version des großen Prince.

Musik gab’s natürlich auch. Die unterschied sich von den Studioproduktionen nur dadurch, daß der (echte!) Drummer etwas mehr Drive in die Inzwischen fast schon altbekannten Nummern brachte. Die drei Keyboarder und zwei Gitarristen verpatzten nicht eine Note. Wäre ein Band gelaufen, es hätt‘ nicht perfekter sein können. Aber wer kam schon wegen der Musik…