Trio – Die Banalität als Botschaft


Für alle, die Trio bisher noch nicht kennen, möchteich die Gruppe kurz vorstellen: Also, wir sind die Band die in der ZDF-Hitparade nicht wiedergewählt wurde.“ Die süffisanten Worte aus Stefans Mund tun ihren Dienst: Es darf gelacht werden. Treffender kann man eine Band wie Trio eigentlich gar nicht mehr vorstellen. Das un-verschämte Bekenntnis zum Kommerz einerseits, andererseits aber auch eine grenzenlose Selbstironie haben Trio zu dem gemacht, was sie Mitte 1982 sind: die vermutlich populärste, ganz sicher aber die unorthodoxeste Gruppe, die es momentan von der Front zu vermelden gibt Noch vor 12 Monaten hätte wohl kaum einer auf das spleenige Dreigespann aus Großenkneten auch nur einen Heller gewettet: Ex-Clown Peter Behrens, der früher mit dem ehrenrührigen Ruf leben mußte, .schlechtester Drummer von Cuxhaven“ zu sein, dazu – ebenfalls nicht gerade begnadete Virtuosen – Gitarrist .Kralle“ und Stefan Remmler, Veteranen aus längst vergessenen „Krautrock“-Tagen, allesamt gesetzten Alters (.wir sind seit drei Jahren 33 und werden es auch noch drei Jahre bleiben“), zu allem Überfluß auch noch deutsch-englische Texte über die absurdesten Banalitäten des Alltags, ausgedrückt in einer Sprache, die oft genug den IQ eines geistig Armen zu verraten schien – was, zum Teufel, war davon zu halten, was konnte man von diesen Galgenvögeln schon erwarten?! Nach menschlichem Ermessen und den ehernen Gesetzen des Muskmarktes wohl tatsächlich recht wenig. Sicher, Klaus Voormann nahm sich als Produzent frühzeitig ihrer an und öffnete mit seinem Ruf einige Türen. (.Klaus spielt eine unheimlich wichtige Holle. Was er als unser Ansprechpartner macht, ist bestimmt nicht spektakulär, aber es ist toll, daß wir ihn haben.“) Trotzdem, Voormann war sicher nicht der ausschlaggebende Faktor. Was Trio auszeichnet, ist eine Cleverness, die ihre scheinbare Naivität Lügen straft. Aus der musikalischen Unfähigkeit hat man frech eine Tugend gemacht, der Dilettantismus ist Methode, die demonstrativ zur Schau gestellte Harmlosigkeit gibt dem Zuschauer Gelegenheit, ungeniert zu lachen. Hinzu kommt, daß die drei Akteure bewußt darauf achten, schon von der Optik her einen jeweils anderen Typus zu verkörpern. Daß so etwas die Identifikation erleichtert, weiß man schließlich spätestens seit den Beatles. Und was die Texte angeht so steckt auch da offenbar mehr dahinter, als es zunächst den Anschein hat. Die Klischees und Sprachfetzen, die Stefan Remmler aus dem täglichen Leben aufgreift und zusammensetzt, geben nach den Gesetzen der Logik sicher kaum einen Sinn (.schließlich will ich keinen Aulsatz schreiben „) , dahinter aber tritt eine Realität zutage, die dem Hörer unbewußt bestens vertraut ist. Die alltägliche Banalität ist die Botschaft. Eine überraschende Abgeklärtheit schließlich beweist das Trio, wenn es darum geht, die plötzliche Resonanz richtig einzuordnen. .Es passieren in letzter Zeit Dinge“, so Stefan im folgenden Interview, .die wir nicht mehr so recht überblicken. Es wird Zeit, alles ein wenigsacken zu lassen und Distanz zu gewinnen. “ High Noon in Großenkneten. Was hat sich durch die Erfahrungen der letzten Monate geändert? .Heute ist doch ein tolles Beispiel. Wir haben zum ersten Mal auf einem Festival gespielt und in dem Punkt sind wir halt blutige Anfänger. Aultritte bei Festivals haben ein ganz anderes Tuning, das muß man erst lernen. Wir drücken uns noch leicht verlegen am Bühnenrand herum – und das ist ja auch gut so. Das ist ja eine Rolle, die zu uns paßt.“ Seht ihr nicht die Gefahr, daß bei größeren Hallen oder einem Festival die Intimität verlorengeht? Gerade Trio mit all den Gags und eurer Mimik braucht doch einen engen Kontakt zum Publikum. .Ja, das sind die Veränderungen, die wir auf den Tourneen der letzten Monate erfahren haben. Da haben wir an einem Tag einen 400er Club, am nächsten Tag eine 3 000er Halle. Schon wenn wir in einen Laden reinkommen, sagen wir uns: ‚Diesen und jenen Titel heute abend besser nicht ~ oder in einer anderen Reihenfolge.‘ Und Festivals sind eben eine ganz neue Erfahrung.“ Wie soll es denn weitergehen? Unbegrenzt könnt ihr euer gegenwärtiges Programm wohl nicht wiederholen, anderenfalls stumpfen die Gags zu schnell ab. , Wir haben das Programm insofern schon geändert, als wir es den neuen Situationen anpassen. Die Läden werden größer, die Leute sitzen nicht mehr mit einem Bier an den Tischen, sondern drängen sich wie die Heringe vor der Bühne. Die lok“Glaub ja nicht, kere, flockige Kommunikation ist bei Leuten, die voll abfahren wollen, nicht mehr so angesagt. Das Timing des Acts wird schneller. Aber du hast recht, das Programm kann sich schnell abnutzen. Gerade die Wortbeiträge. Da kann man keinem für böse sein. Und wir reagieren insofern darauf, daß wir vorerst nicht spielen, weil wir den Leuten nichts Neues zu bieten haben. Am 6. Juni war unser vorerst letzter Auftritt, es ist Zeit, eine Denkpause zu machen, alles etwas sacken zu lassen, etwas Urlaub und dann auf zu neuen Sachen.“ Mit anderen Worten: Irgendwann im Herbst werdet ihr mit neuem Material, mit neuen Sketchen und neuer LP wieder auf der Matte stehen? „Na klar, ein neues Programm, wobei ich das Wort Sketche nicht so gern höre. Sketche, das klingt so wie eine Theater-Nummer, bei der alle Drei abgestimmte Aktionen machen würden. Und so ist das nicht bei uns. Der Witz besteht darin, was aus den drei Individuen herauskommt, aus dem, wiejederseine Person zur Unterhaltung vorführt. Einstudierte Sketche in der Art,Du hältst das Glas Wasser – und dann fällt es mir auf den Kopf“, das wollen wir nicht.“ w ie habt ihr denn den plötzlichen Erfolg vom Kopf her verkraftet? “ Wir rutschen jetzt in eine Menge Sachen rein, die wir nicht mehr überblicken können, zu denen wir keine Distanz mehr bekommen. Wir machen das jetzt nur noch mit, weil wir wissen, daß wir bald die Zeit zum Nachdenken haben. Nimm z.B. „Da Da Da“, den HTT. Wirfreuen uns darüber, wir stehen dazu, das ist unsere Musik – und die wird dadurch nicht schlechter, daß ihn die lljährigen und die Omas auch gut finden. Ich find das toll, wenn man gleichzeitig in der „Bravo“ und der „Zeit“ steht. Allerdings wollen wir auch nicht, daß sich die Medien immer gewisse Sachen von uns rauspicken. Das ist auch so ein Punkt, über den wir nachdenken müssen.“ Was zum Beispiel wird da rausgepickt? „Na, eben das Harmlose, das leichter Verdaubare. Nichts gegen „Da Da Da“, man muß jetzt nur vor Ort aufpassen, daß man da nicht so einen Stempel aufgedrückt bekommt.“ Kommen wir doch einmal auf euren kürzlichen Auftritt in der ZDF-Hitparade zu sprechen, über den ja viele Leute etwas den Mundwinkel verzogen haben. Wie war denn eure Reaktion, als man euch das angeboten hat? “ Wir hatten ja schon von einigen Bands aus unserer Ecke gehört, daß sie einen Auftritt bei Dieter Thomas Heck eindeutig ablehnen. Und schon allein deswegen haben wir uns gesagt: ‚Jetzt extra!‘ Obwohl: So eine spontane Trotz-Reaktion ist natürlich letztlich keine ausreichende Erklärung. Wir haben gute Arbeitsbedingungen gehabt, wir konnten unser Ding präsentieren, wie wir wollten, da hat uns keiner reingeredet. Vor Ort war das alles easy und prima, aber so vom Überblick her gesehen muß man schon aufpassen, wohin das alles führt.“ In „Spex“ stand kürzlich ein interessanter Kommentar zu diesem Auftritt: Trio wurde nur am Rande erwähnt, aber über den dort ebenfalls auftretenden Hubert Kah hieß es da, man solle ihn verprügeln, weil er mit diesem Auftritt eine weitere Scham-Barriere niedergerissen habe und das, was von der „neuen deutschen Welle“ übriggeblieben sei, nun endgültig den kommerziellen Geiern zum Fraß anbiete. „Das kann man sicher so sehen. Die Jungs von Hubert Kah sind smart, sehr smart. Ich will das aber nicht so sehr an Hubert Kah festmachen. Ich will mal etwas weiter ausholen: Wir sind ja so was wie die mittlere Generation der NDW. Die erste hat ihre Musik jenseits der Industrie und auch ihren Vertrieb jenseits der Industrie gemacht. Bei uns als Vertretern der zweiten Generation ist zwar die Musik außerhalb der Industrie entstanden, aber anschließend von ihr vermarktet worden. Und das freut uns, das gibt Geld – und niemand hat uns in unser Produkt hineingeredet. Und jetzt gibt es auf einmal viele Leute, die von vomeherein auf. Bravo „und die “ ZDF-Hitparade“ zielen, die sich als Punks verkleiden. Und so was ist… naja, zu beobachten, was soll ich sonst dazu sagen. Der Markt ist groß – jeder versucht sich sein Scheibchen abzuschneiden.“ D as Problem für euch wird ja wohl darin bestehen, sich von der Masse der schlechten Imitatoren deutlich abzusetzen. „Richtig, richtig, da müssen wir ganz sensibel sein, daß wir unser Ding ehrlich rüberbringen. Das ist bisher so gewesen und ich sehe keinen Grund, warum das in Zukunft nicht so .bleiben sollte. Diese Art von Anbiederung funktioniert auch bei uns gar nicht. Dat is alles Käse. Wir m üssen gut drauf sein, jeder muß seine Ecke haben, wo er sich darstellen kann – sonst läuft das nicht bei uns.“ Wie würdest du denn als neutraler Beobachter psychologisch zu erklären versuchen, was den Leuten an Bio so gefällt? „Das ist schwer zu sagen, weil das jeder von uns Dreien anders sieht und erfährt. Und das ist, glaube ich, auch schon ein Teil unserer … na, Beliebtheit, wie auch immer: diese drei unterschiedlichen Charaktere. Das macht sicher viel aus.“ Ein Grund liegt sicher auch darin, daß nach dem – wie du sagst – angesammelten Zuckerbäckerwerk in der Rockmusik eine Kompensation, ein Backlash in Richtung Einfachheit stattfindet. „Einmal das, klar, der Backlash. Vielleicht aber auch deswegen, weil wir zwar nicht die Ersten, aber doch zumindest unter den Ersten waren, die… wie soll ich sagen… die kritischen, gesellschaftlich etwas aufmerksameren Ideologien mit Entertainment verbunden haben. Daß das nicht mehr nur mit Wut und Frust rauskommt, sondern mit einem unterhaltenden Element. Eine Sache ist ganz interessant, die der Dieter Meier von Yello kürzlich über uns geschrieben hat. Der hat da Aspekte reingebracht, über die ich nie nachgedacht habe. Er hat uns in eine Unterhaltungs-Tradition eingeordnet, so vorkriegsmäßig, die Marlene Dietrich-Ecke, ich kenn mich da nicht so aus… jedenfalls: eine geistvolle Unterhaltung, die dann nach dem Krieg zur Schnulze degenerierte. Aber solche Theorien haben uns bisher nie beschäftigt, wir haben uns ausschließlich als Rock ’n Roll-Bandverstanden.“ Aber der Wunsch ist vorhanden, hinter der Unterhaltungs-Fassade so was wie… Denkanregungen von der Bühne rüberzubringen? „Es ist sicher nicht so, daß wir uns von vomeherein ein Thema ausdenken. Aber wenn man sich im Nachhinein die Texte anschaut, muß man wohlsagen, daß sie… nun ja… zumindest nicht oberflächlich sind auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht so scheint.“ Mit anderen Worten: Als eine reine Unterhaltungs- und Gute-Laune-Kapelle möchtet ihr euch nicht verstanden wissen? „Nee, das sind wir weiß Gott nicht! Unsere Sachen sind bestimmt nicht oberflächlich – und darin unterscheiden wir uns von Leuten, die nur auf Unterhaltung aus sind. Wir kommen nicht mit dem Zeigefinger der geballten Faust, aber es gibt doch auch niveauvolle oder spritzige Unterhaltung, wie immer man das nennen will. Bei uns in Deutschland ist diese Sparte Unterhaltung eben nur belegt durch Lou van Burg u. ä. – und das muß ja weiß Gott nicht so sein. N ervt es dich denn, wenn dieser Aspekt vom Publikum oder von Kritikern unterschlagen wird? „Ja, wenn beispielsweise jemand ernsthaft behauptet, das „Da Da Da“ nichts als flockiger Nonsens sei. Das glaub ja nicht! Das seh ich überhaupt nicht so. Ich finde, das ist ein sehr intelligenter Text, auch wennmannatürlich nur die Oberfläche sehen kann.“ Da fühlst du dich unfair behandelt? „Was heißt unfair? Das stimmt einfach nicht. Die Absurdität, die in den Texten steckt, hat doch heute eine Berechtigung. Ich mach die Texte ja auch nicht zu einem vorgegebenen Thema, sondern setze sie aus verschiedenen Satz-Bruchstücken zusammen, aus Ausdrücken, die vorhanden sind sei es im Fernsehen oder in Zeitungs-Überschriften. Und wenn diese Bruchstücke zusammengesetzt werden, ergeben sie eben indirekt einen Sinn oder zumindest eine Assoziation. Das war’s schon an Fragen meinerseits. Gibt es noch irgendein Thema, das dir im Zusammenhang mit Trio beredenswert erscheint? „Ich glaube, es ist alles gesagt. Ich überlege immer noch. Ich meine, ich könnte noch was dazu sagen, daß wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir Abstand gewinnen, alles etwas sacken lassen und darauf aufpassen müssen, nicht in eine falsche Ecke gedrängt zu werden, aber das hob ich ja alles schon gesagt. Ja, ich glaube, es ist alles gesagt.“ Aber dann – der Recorder war bereits abgeschaltet – gab es doch noch was zu sagen. „Ist schon alles sehr angetömt“ murmelt Stefan. “ Wir unterhalten uns jetzt auf einer mehr kritischen, intellektuellen Ebene, man spricht über Dinge, die man von der Birne her nicht vergessen sollte. Aber darüber sollte man nichtvergessenzu erwähnen, daß alles sehr angetörnt ist. Sehr high, alles.“