Gamma


Hardrock forever - trotz fehlgeschlagener Versuche peilt Ronnie Monstrose wieder mal den Durchbruch an.

Die letzte Deutschland-Tournee von Ronnie Montrose liegt sechs Jahre zurück. Als Chef der nach ihm benannten Band Montrose war er damals mit solch unterschiedlich orientierten Gruppen wie Little Feat, den Doobie Brothers, Tower Of Power und Graham Central Station als „The Warner Brothers Music Show“ im Pakkage unterwegs. Verständlich, daß nicht jede Band an jedem Abend ihr Publikum fand, alle mit gleichem Enthusiasmus aufgenommen wurden. In Hamburg und Amsterdam beispielsweise hatten Little Feat ein Heimspiel, in Städten mit hohem GI-Anteil zogen sich die Doobies und Montrose besser aus der Affäre. „Ich haßte die ganze Tournee“, erinnert sich Ronnie heute. „Es war ein einziges Desaster.“ Mit Gamma, seiner aktuellen Formation, kam er nach Jahren der Deutschland-Abstinenz („Ihr habt mich ja nicht eingeladen „) nun im Vorprogramm vonForeigner erneut über den großen Teich. Und trotz der gemeinsamen Zuordnung ins Lager des melodischen Hard-Rocks, war auch diese Tournee mit Foreigner nicht das reine Honigschlekken für Ronnie und seine vier Mitstreiter Mitchell Froom (Keyboards), Davey Pattison (Gesang), Glenn Letsch (Bass) und Danny Carmassi (Schlagzeug).

„Es ist als Vorprogramm schwierig, überhaupt beim Publikum Eindruck zu machen. Hier in Europa, in Deutschland, kommt das Publikum ausschließlich, um den Headliner zu sehen. Es tendiert daher dazu, den opening act von vorneherein zu ignorieren. Glücklicherweise aber kommen die Leute zu Foreigner, um Songs zuhören. Weit schwieriger stelle ich mir vor, für Gruppen wie beispielsweise Queen die Show zu eröffnen. Denn da dominieren ganz klar Persönlichkeit und Show, und da hätten wir sicherlich einen weit schwereren Stand.“ Um sich ein Bild machen zu können, wo eine Band wie Gamma im Vergleich mit den amerikanischen Kollegen steht, sind Konzerte wie das in der Frankfurter Festhalle verständlicherweise das falsche Pflaster. Wer könnte schon mit gutem Gewissen behaupten, in der Anti-Akustik der Schweinehalle aus einem undifferenzierten Klangbrei irgendwelche Erkenntnisse herausfiltern zu können?

Nur soviel wurde an diesem Abend deutlich: Ronnie Montrose ist mit Sicherheit ein Gitarrist, der den Rahmen des Klischee Hard-Rockers sprengt, was die Beziehung betrifft, die er – in jedem Moment des Konzerts nachvollziehbar – zu seiner Gitarre hat. „Für viele Musiker ist das Instrument nur Mittel zum Zweck, um schnell viel Geld zu machen. Das trifft bei mir nicht zu. Für mich ist Gitarrespielen einen Leidenschait. Und die Sorgfalt die ich für meine Instrumente aufbringe, versuche ich in alle Bereiche meines Lebens einzubringen. Intensität ist unglaublich wichtig für jegliche Beziehung. “ Ronnie Montrose‘ Biografie weist interessante Cooperationen aus. Anfang der Siebziger, gerade erst in Kalifornien seßhaft geworden, spielte er bereits auf Van Morrisons TUPELO-HONEY-Album mit, ebenso auf ST. DOMINICS PREVIEW. Auch auf der Bühne unterstützte er Van the Man, den er nach wie vor für ein echtes Genie hält. Auf meinen Einwurf, beim letzten Rockpalast-Festival habe er sich gar nicht wohlgefühlt, sei er sich deplaziert vorgekommen, reagiert Ronnie mit einem Grinsen und winkt ab.

„Typisch Van. Er macht sich das Leben selbst schwer. Er ist brillant, wie gesagt: ein Genie. Aber auch ein großes Kind, irgendwie unschuldig und auch wiederum nicht Auf seine Weise ist Van ein Arschloch. Und das ist keineswegs böse gemeint. Van hat die Tendenz, sich Leuten gegenüber sehr gemein zu verhalten, überhaupt nicht menschlich und warm, sondern eiskalt. Das ist erstaunlich, wo seine Musik solch eine Wärme ausstrahlt. Und in seiner Arroganz kommen ihm die Leute, die sich um ihn kümmern, noch entgegen, indem die beschwichtigen: Van ist halt so, man muß ihn eben so nehmen wie er ist!‘ Blödsinn. Morrison braucht jemand, der ihm mal richtig in den Arsch tritt.“ Noch während er für Van in die Saiten griff, engagierte ihn auch Boz Scaggs für seine Tourband. Und Edgar Winter holte ihn nach einer Session spontan in seine Gruppe. Die Gründung von Montrose war dann der erste Schritt in Richtung einer konkreten Selbstverwirklichung. Vier Platten aus dieser Zeit geben Aufschluß über seine persönliche Entwicklung.

1978 produzierte Edgar Winter Ronnies Intrumental-Solo-Album OPEN FIRE, dessen Titelsong auch in einer Live-Version auf dem JOY-OF-FLYTNG -Album des Schlagzeugers Tony Williams zu finden ist.

„Das war eine tolle Erfahrung“, erinnert sich Montrose an gemeinsame Konzerte in Japan, bei denen auch Billy Cobham zu einer Session einstieg. „Zwischen zwei solch exzellenten Drummern zu spielen, macht einem schon weiche Knie.“ Die Zusammenarbeit Montrose/Williams blieb auf diesen gemeinsamen Ausflug in den Osten beschränkt. Denn während Williams den free style favorisiert, Proben scheut und der Improvisation auf der Bühne weit größere Bedeutung einräumt, ist Montrose ein Arbeitstier, einer, der an Songs feilen muß.

Und da hat er sich mit Gamma sein Medium geschaffen und eine Band aufgebaut, die seinem Ideal von Kraft, Dynamik und Melodie sehr nahe kommt. Um ehrlich zu sein: Die Platten von Gamma reißen mich nicht vom Hokker. Doch während GAMMA 2 noch ein typisches amerikanisches Hard-Rock-Album war, kann man GAMMA 3 zumindest bescheinigen, daß mit dem neuen Keyboardspieler Mitchell Froom der Hauch eines frischen Windes (für kalifornische Verhältnisse mag’s auch ein ausgewachsener Sturm sein) aus den Rillen weht was vor allem auf der zweiten Plattenseite nachvollziehbar wird Songs wie „Stranger“, „Condition Yellow“, „No Way Out“ und „Third Degree“ zeigen, daß man sich zwar, was die Grundstrukturen der Komposition betrifft, an den Regeln orientiert, die in Amerika einen massiven Radioeinsatz garantieren, darüber hinaus aber eben versucht ist, diese Muster auch einmal mit anderen Klangfarben anzureichern. Und da klingen die Keyboards eben einmal nicht nach Supertramp oder Toto, sondern recht (und das ist relativ zu verstehen) europäisch. Und als hätte ich’s geahnt / befürchtet, reagiert Ronnie auf diese Feststellung mit einem Lächeln: „Ich liebe Kraftwerk und Tangerine Dream. Und Ultravox…“