Adam & The Ants – Philadelphia, in einer alten Kirche
Hätte man einen Irren mit einem Malkasten eingesperrt – das Resultat wäre kaum anders ausgefallen. Der Ort: Eine alte Kirche mit majestätischen Orgelpfeifen und greller Tapete. Das Publikum; Highschool-Kids in Piratenkostümen, Kilts, alte Militäruniformen verschönert mit Gesichtsbemalung und unzähligen Federn. Es sieht aus, als wäre ein Truck der Kosmetikfirma Max Factor in ein römisch-katholisches Vogelhaus gedonnert.
1800 der 1900 Plätze sind besetzt und das, obwohl zu Beginn der ersten US-Tournee nur Mundpropaganda und Bilder aus der englischen Musikpresse die Leute angelockt haben. Als das Licht ausgeht und klassische Musik aus der PA tönt, stürzt das Volk erwartungsvoll nach vorne. Adam der edle Wilde, der gerade einen Kampf mit seiner Kostüm-Kiste bestanden hat, stolziert erhobenen Hauptes auf die Bühne. Das Publikum steht Kopf.
Selbst von meinem entfernten Platz aus wirkt alles überlebensgroß. Die zwei erhöhten Drum-Sets alleine sollten reichen, um jedem Grateful-Dead-Fan Tränen in die Augen zu treiben. Davor Adam, flankiert von seinen treuen Gefolgsleuten, die so treu sind, daß sie in Aufmachung und Kleidung bescheiden zurückstehen.
Der Beat setzt ein. Ein hartnäckiger, sirrender Rhythmus, der klingt wie ein Verkehrschaos im Dschungel. Gleichmäßig, aber trotzdem ungeduldig und drängend. Die perfekte Grundlage für Adams Oooohs, Jodler und Gesänge. Er bewegt sich pausenlos und gibt bei diesem ganzen Aufzug doch eher eine heroische als eine lächerliche Figur ab. Nicht etwa, weil er sich unbewußt wie ein Neunjähriger zu kleiden scheint, sondern weil er das ganze Gegenteil ist: selbstbewußt bis an die Grenzen von Arroganz und Narzißmus. Und das garantiert bekanntlich nicht nur eine optimale Bühnen-Präsenz, sondern gibt auch den ex-Punks im Publikum endlich einmal die Gelegenheit zu freien Selbstdarstellung.
Die Musik folgt dem gleichen Prinzip. Fast jeder Song von KINGS OF THE WILD FRONTIER geht rein wie ein Werbeslogan. Poliert und griffig wie einTV-Commerdal, aber halt viel überzeugender. Adam and the Ants sind einfach die perfekten Schwindler. „Dog Eat Dog“, „Ants Invasion“, „Killer In The House“ und „Los Rancheros“, der Soundtrack Marke Clint Eastwood, gehören zu den besten, „Jolly Reoger“ und „Press Darling* zu den schlechtesten Titeln. Blitze explodieren neben Adam auf der Bühne – und „Ant Music“ beschließt den Set. Drei Zugaben: „Kings Of The Wild Frontier“ zum Mitsingen, „YMCA“ als provozierende Tanznummer und schließlich das Doors-ähnliche „Physical“. Es war einfach ein Abend, an dem sich deine Füße automatisch bewegten und deine Hemdärmel sich kräuselten. Adam and the Ants erinnerten mich an einen Gary Glitter im Urwald – ernst und verrückt zur gleichen Zeit. Kein Zweifel: Jeder im Publikum hatte seinen Spaß.