Hollow Ska – Punk – Versuch der künstlerischen Realisierung einer neuen Lebenshaltung


Schon bei dem gespreizten Buchtitel hört jeder die Nachtigall trapsen: das erste Punk-Buch, das im SOUNDS-Buchverlag erscheint, ist ein wissenschaftliches Werk, genauer gesagt: eine Magisterarbeit im Fach der neueren deutschen Literaturgeschichte an der Universität Hannover. Doch wäre der SOUNDS-Verlag nicht er selbst, wenn es aus den 136 Seiten nach Bibliothekenstaub und Studentenfutter riechen würde – allein das Layout im typischen Fanzine-Stil hat mit trockener Literaturanalyse so viel zu tun wie ein Doktorhut mit Turnschuhen.

Hollow Skai, Herausgeber des „No Funzines“ und bekannter als „Hannoveraner Punk-Papst“ durch „sein“ unabhängiges „No Fun“-Plattenlabel (Hans-a-plast, Rotzkotz, 39 Clocks etc.), untersucht seine eigene Vergangenheit und Geschichte: wie „der Punk“ hierzulande ankam, wie er gedeutet wurde und was er auslöste. Die Gedanken, die der Arbeit zugrunde liegen, sind rund zwei Jahre alt; man kann daher kaum Antworten auf die Fragen erwarten, die sich aus der heutigen musikalischen oder kulturellen Situation stellen. „Für mich war Punk immer etwas anderes als für die Kids. Aber ich verstehe sie heute besser,“ schreibt Hollow in seinem Nachwort. Ähnlich wird es manchem Neugierigen ergehen, der der vorangestellten großspurigen Fragestellung nachforscht: „Punk oder New Wave – worin besteht deren Originalität? Für dich? Für mich?“ Nachprüfbare Fakten, die der Leser oberschülerhaft nach Hause tragen könnte, bleibt Hollow trotz des wissenschaftlichen Anstriches schuldig. Aber schließlich hat er, wie er frank und frei zugibt, das Buch ausschließlich für sich selbst geschrieben.

Trotzdem sollte eigentlich jeder eine Menge damit anfangen können. Zwar machen die strengen Formalitäten (die leidige Fußnotenkrankheit!) einen gedankenlosen Konsum „so nebenbei“ unmöglich, doch werden etliche Motive deutlich, die dazu beigetragen haben mögen, daß sich die sogenannte „neue deutsche Welle“ aus der Punk-Bewegung von 76/77 heraus und von ihr weg entwickelte.

Übrigens hätte die Ausstattung des Buches trotz allem solider ausfallen dürfen (Papier- und Einbandqualität), und einen Rekord wird es allemal brechen: nämlich mit der höchsten Satzfehlerquote seit Einführung der Buchstabenschrift.

Doch dringen die Mängel kaum unter die Oberfläche. Hollow Skai hält sich an Walter Benjamin und leiht sich von ihm das Motto und einen Teil des Anhangs („Der destruktive Charakter“). Im Nachhinein steht jedoch Skai, was die Radikalität des Denkens und Schreibens angeht, seinem geistigen Vorbild Benjamin um nichts nach. Deshalb ist Hollows Punk-Buch trotz seiner verspäteten Veröffentlichung noch immer wichtig, schon heute ein Standardwerk.