pop festival berlin’72


Das Pfingst-Feslival in der Berliner Waldbühne ist im wahren Sinne des Wortes ins Wasser gefallen, doch sollte man die Schuld daran nicht Petrus allein in die Schuhe schieben. Mangel an Organisations- und Improvisationsvermögen von Seiten des Veranstalters hatten auch dieses Festival, wie schon so viele zuvor, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn man eine Open-Air-Veranstaltung organisiert, die sich noch dazu über mehrere Tage erstreckt, MUSS man schlechtes Wetter zumindest einkalkulieren und vorsichtshalber für Ausweichmöglichkeiten sorgen. Wer statt dessen für billiges Geld eine Freilichtbühne mietet, die Hände zum Gebet faltet und hofft, dass die Sonne scheint, handelt nicht nur einfältig, sondern auch verantwortungslos gegenüber dem zahlenden Publikum.

Ein trauriges Bild: Der Festivals-Beginn war für Freitagnachmittag, 16 Uhr, festgesetzt. Schon zu diesem Zeitpunkt bot die Waldbühne einen traurigen Anblick. Es regnete, der Boden war aufgeweicht, die Sitztribünen fast leer. STEAM-HAMMER begannen als erste Gruppe einigermassen pünktlich. Ihr Auftritt hätte, da es der erste in einer völlig neuen Besetzung war, zu einer Sensation werden können, doch angesichts der wenigen, in Plastik gehüllten Zuschauer spielten sie freudlos und atmeten auf, als sie die Bühne wieder verlassen durften. In der weiteren Reihenfolge traten Livin‘ Blues, Frumpy, Ekseption und Golden Earring auf. Die Gruppen gaben ohne Ausnahme ihr Bestes, doch die richtige Atmosphäre wollte bis zum Schluss nicht aufkommen. Obwohl die Auftritte von Mythos und Buming Touch noch ausstanden, ging ich nach der wirklich guten Show der EARRING nach Hause. Es war mittlerweile 2 Uhr, die Spielzeiten hatten sich wieder bedingt durch schlechte Organisation um Stunden verschoben.

Der nächste Tag, Sonnabend, sah noch deprimierender aus. Grauer Himmel, strömender Regen. In der Waldbühne, die unter günstigen Umständen 20.000 Menschen fasst, sassen kaum hundert Leute. Ich muss sagen, dass ich sie bewundert habe, diese Leute, die in Regen und Kälte geduldig ausharrten, obwohl man denkbar wenig dazu tat, ihnen die Verhältnisse angenehmer zu machen. Es gab keine warmen Getränke und keine Zelte oder Baracken in denen man sich aufwärmen konnte. Ebenso unzulänglich waren die Gegebenheiten hinter der Bühne: Ein zwar trockener, aber kalter und ungemütlicher Raum diente gleichzeitig als Künstlergarderobe und Aufenthaltsmöglichkeit für die Presse. Als ich am Sonnabend gegen 16 Uhr dieses Zimmer betrat, herrschte dort Panik. Karthago, die eigentlich auftreten sollten, hatten ihre Gage kassiert und waren daraufhin verschwunden. Emergency, die als nächste auf dem Programm standen weigerten sich zu spielen. Das Festival schien sein Ende erreicht zu haben!

Das Berliner Publikum zeigte sich von seiner besten Seite. Nach endlosen Verhandlungen und nachdem der Veranstalter 20.000 DM auf den Tisch geblättert hatte, traf man sich abends im Sportpalast wieder. AMON DÜÜL traten gegen 22 Uhr als erste Gruppe auf, sie spielten sehr schlecht und ernteten eine dementsprechende Reaktion von Seiten des Publikums. Bei EMERGENCY, die als nächste auftraten, schlug die Stimmung um. Die Gruppe begeisterte vor allem durch ihren noch sehr jungen aber für deutsche Verhältnisse aussergewöhnlich begabten Leadgitarristen. Sie mussten eine Zugabe geben und schafften mit diesem Erfolg eine gute Atmosphäre für den Rest des Abends. Die Auftritte von Heaven, Pacific Gas & Electric, Brian Auger, Nektar und Ash Ra Tempel verliefen ohne Komplikationen. Alle Gruppen mussten Zugaben spielen, alle bekamen stürmischen Beifall und das Berliner Publikum, das sonst einen sehr schlechten Ruf hat, zeigte sich allen musikalischen, technischen und organisatorischen Schwächen gegenüber äusserst nachsichtig.

Über die übrigen beiden Tage, Sonntag und Montag, bleibt wenig zu sagen. Die Sonne kam hervor, man zog wieder in die Waldbühne um, das gute Wetter brachte endlich die ersehnten Menschenmengen. Buddy Miles und Gentle Giant, beide gross angekündigt, kamen nicht. Von den nun noch auftretenden Gruppen begeisterten besonders BEGGARS OPERA und JUICY LUCY, den absoluten Höhepunkt schafften meiner Meinung nach HAWKWIND am Sonntagabend. Das „Pop-Festival Berlin 72“ endete besser, als anfänglich zu erwarten war. Von der entspannten, glücklichen Atmosphäre, die für mich mit dem Wort „Festival“ verbunden ist, habe ich jedoch an keinem der vier Tage etwas bemerkt. Und damit hat die Veranstaltung in meinen Augen ihr Ziel verfehlt.