Ein „König“als Königin???
Mit diesem Wortspiel beginnt ein Time-Artikel, der sich mit dem Phänomen „Carole King“ auseinandersetzt. In den 60-ziger Jahren schrieb sie zusammen mit ihrem l. damaligen Mann, Jerry Goffin, Songs für andere Leute.
So auch für die Gruppe „The Shirelles“. Im Januar 1961 katapultierte sich diese bis dahin unbekannte Rock’n Roll-Group mit dem Song „Will you love me tomorrow“ an die Spitze der US-Hitparade. Der schnelle Erfolg dieser Nummer, an den damals keiner so recht glauben wollte, wurde in der Folgezeit noch oft wiederholt. Wer von den älteren Lesern erinnert sich nicht an „Locomotion“ von little Eva, oder „Natural Women“ von Aretha Franklin, die alle Millionen-Seiler wurden.
Es kamen viele Gruppen und Interpreten in die musikalische Schneiderwerkstatt von King Goffin, um sich etwas nach Mass anfertigen zu lassen. BLOOD, SWEAT & TEARS – „Hi-de-ho“, HERMANS HERMITS – „I’m into something good“, die ANIMALS – „Don’t bring me down“, aber auch die BYRDS – „Goin‘ back“ gehörten zu den gern gesehenen Gästen des 8-Zimmer-Hauses in Sheepshead-Bay, nahe bei Brooklyn. Carole King und Jerry Goffin waren neben Burt Bacharach und Hai David eines der wichtigsten, unabhängigen Songwriting-Teams der USA. Ihre Lieder sind überragende Beispiele der Popmusik in den 60-ziger Jahren.
Nachdem sich CAROLE KING 1968 von ihrem Mann getrennt hatte, begann die heute 28-jährige Mutter von 2 Töchtern, 8 und lOJahre alt, ihre zweite „eigene“ Karriere. Sie zog um nach Los Angeles an der amerikanischen Westküste und interpretierte ihre Songs von nun an selbst. Ihren Schritt erklärte sie so: „Nachdem alle bekannten Interpreten und Gruppen ihre eigenen Kompositionen bevorzugten, fand ich für meine Lieder keine Abnehmer mehr. Damit sie überhaupt gesungen wurden, musste ich sie selbst vortragen“. CAROLE KING, die Songschreiberin, wurde zur Sängerin.
Mit ihrer ersten Langspielplatte „Writer: Carole King“ stellte sie sich 1970 als Solistin vor. Zu dem Musikern gehörten damals James Taylor – Gitarre, B.B. King – Piano und Charlie Larkey – Bass, ihr jetziger Mann. Dieses Album brachte in Amerika gute Kritiken. Mit ihrem neuesten Erzeugnis „Tapestry“ wurde sie populär. Popularität, die sich in Zahlen ausdrücken lässt. Das Album kam auf Platz 1 der amerikanischen Hitparade und das bedeutete automatisch Millionenumsätze. „Tapestry“ wurde vom gleichen Produzenten gemacht, und auch bestehen im musikalischen Backing-Team keine grossen Unterschiede. Thematisch gleichen sich die beiden LP’s. Der Grundgedanke ist die Suche nach Freundschaft, die von Dauer ist, auf die Verlass ist – musikalisch eingebettet in einen einfachen, sanften Rock. „Tapestry“ bestätigt, dass CAROLE KING zu den schöpferischsten Persönlichkeiten in der Popmusik zählt. Fast ein Jahrzehnt währt nun schon diese schöpferische Tätigkeit. Man kann es auch auf eine einfache Formel bringen. Die Aera von Dylan und den Beatles ist gekommen und anscheinend wieder vorüber gegangen; CAROLE KING ist geblieben.