Die Reise
Es war heiss, wir lagen am Strand und Marco malte mit seinem Finger Figuren in den Sand. Ich schloss die Augen und versuchte, an nichts zu denken. Marco lachte leise. „Morgen sind wir in Deutschland“, sagte er. „Hoffentlich bist du nicht enttäuscht“, sagte ich und schüttelte mir den Sand aus dem Haar. „Natürlich werde ich nicht enttäuscht“, entgegnete Marco und küsste mich. „Ich werde deine Heimat genau so lieben wie ich dich liebe…“ Ich versuchte, die Augen zu öffnen, aber die Sonne blendete mich. Vor etwa einem Jahr hatten wir uns kennengelernt. Eigentlich wollte ich damals nur meinen Urlaub in Spanien verbringen. Aus den drei Wochen wurden dann ein Jahr. Marco und ich zogen zusammen, ich kündigte meinen Job in Düsseldorf. Meine Mutter war zuerst entsetzt, als ich ihr sagte, ich würde in Spanien bleiben. Dann fand sie sich damit ab und schickte mir meine Sachen. Marco war Sänger und spielte jeden Abend mit seiner Gruppe in einem bekannten Club. Er verdiente nicht schlecht. Manchmal nahm auch ich einen Job an und verdiente etwas dabei. Morgen wollten wir nach Düsseldorf fliegen, die Koffer waren gepackt und ich genoss zum letztenmal die spanische Sonne, die warm auf uns herabschien…
DIE ANKUNFT Das Flugzeug hatte Verspätung und als wir kurz vor drei landeten, hatte die Heimat mich wieder. Niemand holte uns ab, denn ich hatte unser Kommen verschwiegen. Nicht einmal meine Mutter wusste etwas davon. Ich genoss die Fahrt mit dem Taxi durch die Stadt, zu unserer Wohnung. Marco war zum erstenmal in Düsseldorf und Ich merkte, dass ihn die Stadt genau so faszinierte wie mich. Ich versprach ihm, abends mit ihm in die Altstadt zu fahren und die Clubs zu zeigen, die ich noch von früher her kannte. Dann waren wir zu Haus. Unsere Wohnung lag genau im Centrum der Stadt, wir wohnten im achten Stockwerk. Während ich unsere Koffer auspackte, setzte sich Marco auf den Balkon und beobachtete das Treiben der Menschen unten auf der Strasse. Meine Mutter war überrascht und zu Tränen gerührt, als sie mich sah. Sie begrüsste Marco freundlich, aber distanziert. Ich wusste, sie hatte Vorurteile Ausländern gegenüber und für sie war Marco nur irgendein Spanier. Sie nahm unsere Freundschaft nicht ernst. Marco war feinfühlig und merkte sofort, dass meine Mutter ihn nicht mochte. Das Resultat war, dass er sich in eine Ecke verkroch und sich nicht mehr an unseren- Gesprächen beteiligte. Abends gingen wir in die Altstadt. Wir gingen zu Fuss, denn ich wollte möglichst viel von Düsseldorf sehen. Es war ein schöner Abend, die Luft war warm. Wir schlenderten durch die Strassen, besuchten ein paar Clubs und assen irgendwo eine Pizza. Ich kannte die meisten Diskotheken von früher, es hatte sich in dem einen Jahr nicht viel verändert. Marco war aufgeweckt und lustig. Als ich aber ein paar Freunde traf, wurde er schweigsam, stand abseits und beteiligte sich nicht an unseren Gesprächen. Er merkte, dass sie ihn nicht akzeptieren und das machte ihn unsicher.
DAS CAFE IN DER ALTSTADT
Als ich erwachte, war es schon kurz nach zwölf. Ich reckte mich und für ein paar Sekunden war unheimlich froh, ich war wieder zu Haus. Marco liess Wasser in die Wanne laufen, er wollte baden. Ich rief inzwischen Gerd an. Gerd war ein früherer Freund von mir und ich wollte seine Stimme wieder hören. Er war überrascht, als er merkte, dass ich -ss war und wollte sich mit mir verabreden. Ich liess mich erweichen und verabredete mich mit ihm in der Alt Stadt. Marco wollte nicht mit und blieb so lange in der Wohnung. Ich fuhr mi- einem Taxi, in die Stadt. Allmählich hatte ich mich wieder aklimatisiert und verstand nicht, wie lange ich es ohne Düsseldorf hatte aushalten können. Spanien war schön, gewiss, aber anders. Und Marco war hier in meiner vertrauten Umgebung auch ein anderer. Dinge, die mir in Spanien nicht auffielen, störten mich hier an ihm. Gerd war schon da. Seine Haare warer länger geworden, ausserdem trug er einen Bart. Ich erkannte ihn nicht Er rief mich und ich setzte mich zu ihm. Er bestellte mir ein Eis, er selbst nahm ein Bier, Mir war, als hätten wir un? nie getrennt. Gerd kannte mich, wir hatten die gleichen Freunde. Wir tauschten Erinnerungen aus und wurden sentimental. Fast jeder Satz begann mit „Weisst du noch…?“ Die Zeit verging zu schnell und plötzlich merkte ich. dass wir den ganzen Nachmittag auf der Terasse zugebracht hatten. Es war kälter geworden, die Sonne schien nicht mehr. Ich stand auf und er griff meine Hand. ,,Fliegst du wieder mit ihm zurück?“ Ich nickte und plötzlich merkte ich, dass ich im Begriff war, mich erneut in Gerd zu verlieben. Dieses Gefühl erschreckte mich. Marco sass auf der Couch, blätterte in einer Zeitschrift und wartete auf mich. Er musste sich gelangweilt haben. Ich begann automatisch das Zimmer aufzuräumen, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte aber er verstand auch so. „Ich fliege morgen ab“, sagte er leise. „Ich passe nicht zu dir und auch nicht zu deinen Freunde. Sie akzeptieren .mich nicht und du schämst dich meiner.““.Das ist nicht wahr“, versuchte ich zu protestieren, aber es klang schwach. „Es hat wohl alles so kommen müssen“, fuhr er wehmütig fort. Ich fand keinen Ausweg, wusste nicht, wie ich ihn von seinem Vorhaben abbringen sollte, wusste allerdings auch nicht, ob ich es wollte. DER ABSCHIED Es war heiss und Martin hatte sein Fenster heruntergekurbelt. Wir fuhren langsam durch die Stadt und mussten oft halten, denn alle Ampeln zeigten auf Rot. Gerd hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und lächelte. „Schön, dass du hierbleibt“, sagte er. „Wann fliegt dein kleiner Spanier wieder ab?“ „In einer halben Stunde“ sagte ich und sah auf die Uhr. Gleichzeitig ärgerte ich mich, dass er „kleiner Spanier“ gesagt hatte. „Du willst dich also wirklich von ihm verabschieden?“ „Das bin ich ihm schuldig. Ich kann ihn doch nicht einfach so gehen lassen. Schliesslich…“
..Schliesslich…?“ „Nun, ich habe ihn doch einmal sehr gern gehabt. Und er mich…“ „Sentimental?“ „Quatsch!“ Gerd konnte keinen Parkplatz finden und stellte sich neben ein anderes Auto. Ich musste deshalb allein zu Marco „Mach’s nicht zu lange“, rief Gerd mir nach und ich versuchte mich zu beeilen. Es dauerte etwas, bis ich Marco fand. Er stand verloren in einer Ecke und wischte sich kleine Schweisstropfer. von der Stirn. Plötzlich tat er mir leid. Er war mit so viel Hoffnungen gekommen und jetzt war für ihn die Reise zu ende. Es war meine Schuld. Als er mich sah, lächelte er. „Ich dachte, wir würden uns nie wiedersehen“, sagte er.“.Ich wollte mich von dir verabschieden“, sagte ich. Ich sah, dass er zwei Flugtickets in seiner Hand hielt „Ich habe deine Karte auch noch. Du kannst sie umtauschen oder… mitkommen!“
„Ich habe meine Sachen nicht bei mir“, versuchte ich einzuwenden. „Du kannst dir neue kaufen“, entgegnete er und ich wusste, dass alles von meiner Antwort abhing. Wenn er jetzt ging, würden wir uns nicht mehr sehen… Es war heiss, wir langen am Strand und Marco malte mit dem Finger Figuren in den Sand. Ich schloss die Augen und versuchte,-an-nichts zu denken. Es gelang mir nicht Marco sang leise vor sich hin und ich wusste, er war wieder der alte. Die fremde Umgebung hatte ihn unsicher gemacht und fast wäre unsere Freundschaft daran zerbrochen. „Versprichst du mir“, sagte ich leise und versuchte, mich zu konzentrieren. „Was?“ „Versprich mir, dass wir immer hier bleiben werden!“ Ich sah ihn an. Er lächelte und ich wusste, dass er mich verstand. „Natürlich mein Liebling!“ flüsterte er und streichelte meinen Arm.