Weval und Michael Mayer im Gespräch: „Die schönste Sache, die es gibt? Eigene Platten zu entdecken“


Wir trafen das niederländische Electronica-Duo und den Kompakt-Records-Co-Chef vor ihren Sets beim Hamburger Festival MS Dockville und sprachen mit ihnen über Plattenläden, Newcomerförderung und neue musikalische Projekte.

Er hat den Sound Of Cologne maßgeblich mitbeeinflusst, sie haben mit ihrem selbstbetitelten Album Indie und Electronica miteinander versöhnt wie kein anderer Act in den vergangenen Jahren – und allesamt sind sie der Kölner Techno-Institution Kompakt Records verbunden. Michael Mayer ist nicht nur seit über 20 Jahren als DJ, Producer und Remixer erfolgreich, sondern nebenbei auch Mitinhaber seines eigenen Labels und somit Chef seiner Zöglinge Harm Coolen und Merijn Scholte Albers, die unter dem Namen Weval eines der interessantesten elektronischen Releases des Jahres auf den Markt gebracht haben.

Am Abend unseres Interviews werden Mayer und Weval das Hamburger Festival MS Dockville 2016 mit ihren Sets eröffnen. Zustande gebracht hat diese generationsübergreifene Angelegenheit das Smirnoff Sound Collective, das sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen, aufstrebenden Acts mit Hilfe eines renommierten Mentors die nächsten Schritte auf der Karriereleiter zu ermöglichen. Alles wie gemacht für ein Gespräch über Talentförderung, das Altern in der elektronischen Musikszene und der generationsübergreifenden Zusammenarbeit bei Kompakt in Köln. Doch zunächst einmal wird durch Platten gestöbert.

Wir treffen Michael Mayer und Weval vor der Hanseplatte, dem Plattenladen, der wohl wie kein anderer für den Sound Hamburgs steht. Über DJ Koze zu Audiolith und Buback: Im Ladengeschäft im Karoviertel findet man so gut wie jedes wichtige Hamburger Release der letzten zwanzig Jahre – und so verwundert es nicht, dass Michael, Harm und Merijn sich zunächst einmal umschauen, austauschen und über die Photoshop-Skills einiger Artwork-Designer diskutieren.

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ME: Kauft Ihr Platten nur nach einem Blick aufs Cover?

Merijn: Ja, manchmal kaufe ich Platten nur wegen des Covers. In Antwerpen fand ich neulich einen tollen Laden, mit vielen Second-Hand-Krautrock-Platten mit verrückten Covern – und die mit den verücktesten Covern klangen tatsächlich am besten. Bei uns ist es eher so, dass unsere Freunde auf uns zukommen und sagen: „Hey, Ihr müsst mit in den Laden kommen und euch diese und jene Platte anhören.“

Merijn dreht sich weg und zeigt seinem Freund Harm eine Auswahl wilder, bunter Psychedelia-Platten. Harm, so sagt Merijn, sei der eigentliche Vinylliebhaber des Duos, hält jedoch von der Romantisierung des Plattenladens als Zufluchtsorts nicht sonderlich viel: „Ich glaube, sie werden zu sehr als diese fantastischen Orte angesehen, an dem sich Menschen treffen, diskutieren und allerhand Musik erhältlich ist. Ich persönlich sehe sie momentan jedoch nicht so. Für mich sind es Läden, in denen ich Musik erhalte, aber nicht meine sozialen Kontakte pflege.“ Dennoch habe auch er seine Favoriten, die er jederzeit weiterempfehlen würde. Hardwax in Berlin und Rushhour in Amsterdam, beispielsweise. „Sie haben einfach eine tolle Auswahl, die mich anspricht: von abseitiger Electronic, über Afro-Beat zu Disco“, sagt er und beugt sich über die Box mit den Nils-Frahm-12″.

Michael Mayer ist in der Zwischenzeit aus unserem Blickfeld verschwunden. Der große Mann des Kölner Minimal-Techno scheint recht angetan zu sein vom Hamburger Spezialitätenladen. Erst als das Gespräch auf Neuerwerbungen als Inspirationsquelle kommt, mischt er sich mit einer Spitze gegen „seine“ Jungs ins Gespräch ein: „Die benutzen doch eh nur Samples, dafür muss man sich nicht inspirieren lassen“, platzt es aus ihm heraus. Lautes Gelächter in der Runde.

Michael, für Dich als Kompakt-A&R muss es ganz besonders wichtig sein, ständig am Puls der Zeit zu sein und den Hype um gewisse Bands abzupassen. Kaufst Du Platten junger, aufstrebender Bands blindlinks oder verschaffst Du Dir zunächst einmal einen Live-Eindruck von solchen Acts?

Michael: Ich habe ja einige Gründe, up-to-date zu bleiben. Ich bin in erster Linie DJ und ich brauche etwas, was ich auflegen kann – wäre ja langweilig, wenn ich nur Kompakt-Platten auflegen würde. Obendrein bin ich schlichtweg ein Musiksammler und höre zu Hause allerlei Dinge. Ich mag es neue, seltsame Dinge zu entdecken.

Würdest du Weval noch als Newcomer bezeichnen?

Michael: Nein, über diesen Punkt sind sie hinaus. Das erste Album ist veröffentlicht und damit haben sie diesen Status aus meiner Sicht eingebüßt.

„Wir sind Teil der Kompakt-Familie.“ – Merijn Scholte Albers

Auch Weval halten vom Label „Newcomer“ nicht viel. Zwar fühle sich alles „noch sehr frisch an“, sagt Harm, doch er denke schlichtweg nicht in solchen Kategorien. „Wir gewöhnen uns langsam daran, alle möglichen Orte zu sehen und von zu Hause herauszukommen.“

Zu diesen Orten, die Weval sehen dürfen, gehört auch das MS Dockville, dem sie später mit einem Live-Set einheizen wollen. Nach ihnen wird Michael Mayer auftreten, ihr Labelchef und Mentor im Smirnoff Sound Collective. Wie wichtig solche Möglichkeiten und Plattformen für eine noch so junge Band wie Weval sind, wird recht schnell im Gespräch deutlich: „Insbesondere der Zusammenhalt bei Kompakt hilft uns ungemein“, sagt Harm und sein Partner Merijn ergänzt: „Wir sind Teil der Kompakt-Familie.“ Michael Mayer muss während der Ausführungen der jüngsten Mitglieder dieser Familie namens Kompakt des Öfteren süffisant lächeln. Dennoch, er weiß um seine Verantwortung als Mentor: „Es ist wirklich inspirierend. Jeder Künstler ist anders. Manche wollen eine strikte Führung und sehr viel Input von außerhalb, andere – wie diese beiden Typen hier – sind sehr unabhängig, wissen ganz genau, was sie wollen, und man muss ihnen nur mit der Herstellung und dem Vertrieb der Platte helfen.“

Im Vorbeigehen entdecken die drei ein Crate mit der Aufschrift „Kompakt“ – ein Stück Heimat in Hamburg.

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Ist es komisch für Euch, Eure eigenen Werke in Plattenläden zu entdecken?

Michael: Das ist die schönste Sache, die es gibt. Das macht mich immer sehr glücklich.

Harm: Es ist schon sehr verrückt, besonders zu Beginn, das muss ich zugeben. Ich kann mich daran erinnern – es war kurz, nachdem wir die „Easier“-EP veröffentlicht hatten –, dass Merijn Urlaub in Stockholm machte und jemand legte über die Boxen eines Plattenladens in der Stadt einen unserer Remixe auf. Da kann man schon einmal Gänsehaut bekommen. Das war ein absolut verrückter Moment.

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Max Hartmann
Max Hartmann