„Es klingt wie Lady Gaga, aber es klingt gut“


Beim lustigen Liederraten erzählt Andy Butler, einziges konstantes Mitglied von Hercules And Love Affair, von seinen musikalischen Einflüssen und weshalb er „Rhythm Is A Dancer“ von Snap! nicht hundertprozentig hassen kann.

The xx – Angels

Ich sollte eigentlich wissen, was das ist … vielleicht wenn der Refrain kommt. The xx! Ich liebe Romys Stimme. Das ist Musik mit viel Feinfühligkeit und einer sanften Herangehensweise an den Gesang – ganz im Gegensatz zu dem, was ich mache. Und es ist ein bisschen melancholisch. Melancholie habe ich auch in meiner Musik, fast jeder meiner Songs hat einen Hauch davon.

Wolfram – A thing called love (Featuring Haddaway)

Da singt Haddaway. Ist das Wolfie? Das ist Wolfram! Ich mag das total. Wolfram schreibt simple, effektive Popmusik. Wenn man Haddaway in diesem Kontext hört, merkt man, dass er ein großartiger Sänger ist mit viel Gefühl in seiner Stimme.

Wo bleibt eigentlich das 90s-Revival?

Ich weiß nicht, auf welcher Ebene es sich abspielen wird. Aber es gibt eine Menge junger Dance-Music-Künstler, die sich auf die Neunziger beziehen. Es gab damals viel großartige gesangsorientierte Dance Music. Und die Produktionen klingen immer noch zeitgemäß. Das hat mich erstaunt, als ich meine DJ Kicks kompiliert habe.

Patrick Cowley – Mind Warp

Ich kenne das. Es ist Patrick Cowley, er ist einer meiner größten Einflüsse. Diese Beats! Alles ist so wackelig! Ich liebe dieses unpräzise Element in seiner Musik. Es hat damals noch keine digitale Synchronisation der Instrumente gegeben. Und genau das macht die Musik so charmant. Patrick Cowley war ein großartiger Künstler; leider auch ein frühes Aids-Opfer. Mich überfällt immer eine gewisse Traurigkeit, wenn ich seine Musik höre.

Paul Parker – Right On Target

Und noch eine Patrick-Cowley-Produktion.

Ich kenne den Typen: Paul Parker! Er hat auch einen Song auf dem Wolfram-Album gesungen. Dieses Lied macht Spaß. Ich spiele diese Platte seit neun Jahren. Um ehrlich zu sein: Ich habe einmal versucht, „Right On Target“ zu covern – das war noch vor meiner Zeit bei Hercules And Love Affair. Ich liebe die Synth-Line, sie ist absolut großartig. Einmal habe ich Paul Parker bei einem Auftritt gesehen. Das war in einem kleinen Jazz-Club. An dem Abend sang Pamala Stanley, die große Disco- und Hi-NRG-Sängerin, Jazzstandards. Paul war im Publikum und sie hat ihn auf die Bühne geholt. Er ist ein fantastischer Sänger und er ist ziemlich sexy – immer noch.

Arthur Russell – Let’s Go Swimming (Walter Gibbons Mix)

(sofort) Das ist Arthur Russell. Er hat so eine verdammt schöne Stimme. Ich muss immer an Antony Hegarty denken, wenn ich Arthur Russell singen höre. Das berührt mich wirklich. Er ist ein gutes Beispiel für einen Musiker, der seine Kunst in den unterschiedlichsten Feldern ausgedrückt hat und sich nicht um Erfolg geschert hat – weder beim Publikum noch bei den Kritikern. Er war so vielfältig in seiner Ästhetik, seinem Geschmack und seiner Empfindsamkeit.

Lady Gaga – Bad Romance (Hercules And Love Affair Dub Remix)

Ich wünschte, ich könnte das hier allein an der Kickdrum erkennen. Oh mein Gott, das ist ja mein Lady-Gaga-Remix! (lacht) Lass mich das bitte ein bisschen anhören. Es klingt wie Lady Gaga, aber es klingt gut. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ich den Remix machen soll. Dann haben sie mir die Vocals geschickt und ich habe sie mir angehört und gedacht: „Sie ist eine verdammt großartige Sängerin.“ Ich habe großen Respekt vor ihr, als Songwriterin und Sängerin, mich nervt nur diese „zeitgemäße Dance-Music-Produktion“ ihrer Songs. Meine Mutter hat einmal über sie gesagt: „Diese Lady Gaga. Ich mag sie nicht. Sie befürwortet Drogenkonsum.“ Ich sagte: „Mom, ich könnte ja das Aushängeschild einer Anti-Drogen-Kampagne werden.“ (lacht)

Modern Talking – You’re My Heart You’re My Soul (Rune Lindbaek & Todd Terje Edit)

Ist das neu? Wer ist das?

Eine der erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten: Modern Talking.

Die ganze Edit-Geschichte war ja eine Zeitlang omnipräsent. Aber das ist ein Beispiel für einen großartigen Edit: nicht so tolle Songs in etwas Gutes zu verwandeln. Die Instrumentierung ist funky und ziemlich gut. Todd Terje ist sehr geschmackvoll, was seine Edits betrifft.

Snap! – Rhythm Is A Dancer

(nach einer halben Sekunde) Oh mein Gott! Ist das Snap? Dieser Gesang! Das ist monumental. Ich sehe vor meinem geistigen Auge eine Badeanstalt, in der die Leute eingehüllt in weiße Handtücher tanzen, entweder vor oder nach dem Sex. Ich habe einmal mit Wolfram in Frankfurt aufgelegt. Er hat Chicago-Acid-Zeugs gespielt. Dann nahm er das Mikrofon und machte eine Durchsage: „Jetzt kommt etwas Besonderes für euch.“ Danach hat er „Rhythm Is A Dancer“ aufgelegt, und die Leute sind total ausgeflippt. Der Song hat schon was, ich kann ihn nicht hundertprozentig hassen, aber ich würde ihn niemals spielen.

Albumkritik ME 11/2012

Mit Hercules And Love Affair, seinem Projekt mit ständig wechselnden Mitgliedern, bewegt sich Andy Butler im Spannungsfeld von Post-Disco, Hi-NRG und früher House-Musik. Als DJ beleuchtet der New Yorker die dunkle Seite der Dance-Musik der 90er-Jahre. Nachzuhören auf Butlers Ausgabe der legendären Mix-CD-Serie DJ Kicks, die gerade veröffentlicht worden ist.