5 Fragen an Adam Green
Der Sänger und Songwriter über das neue Album MINOR LOVE, seine „"totale" Verachtung für Disco, seine Zeit als „"1a"-Drogenbuddy in Los Angeles und wie es ist, sich wie Beethoven und Frankenstein zu fühlen.
1. Ist es immer noch so, dass dir die Ideen für deine Songs unterwegs kommen, auf den Straßen und den Plätzen, die du in New York besuchst?
Ich schreibe viele Songs, wenn ich durch die Stadt spaziere mit einem Diktaphon in der Tasche, mit dem ich aufnehme, was ich singe. Um unterschiedliche Ergebnisse zu erzielen, versuche ich aber auch ganz andere Dinge. Drei Songs von MINOR LOVE sind in der Wüste von Arizona entstanden – auf der Veranda einer Golf-Anlage, die ich besuchte. Wichtiger für die Platte war aber, dass ich ein emotional sehr schwieriges Jahr hinter mir hatte. Eine langjährige Beziehung löste sich auf, weil ich nicht in der Lage war, zuhause in New York zu leben. Ich bin dann nach Los Angeles gegangen, bevor ich wusste, dass ich dort mein Album aufnehmen würde – einfach als Tourist, ich war eine Weile zu Gast bei Freunden. Du kennst die Situation: Man ist der Letzte auf der Party und der Erste, der morgens wieder auf den Beinen ist. Ich war der 1a-Kumpel für alle, die Drogen nahmen, haha. Das hatte großen Einfluss auf das Album. In dieser Zeit erhielt ich auch den Auftrag, die Musik für eine Bühnenversion von Paul Austers „Timbuktu“ zu schreiben. Instrumental-Musik, Klassik, Jazz, eine große Herausforderung. Das hat mein Hirn in Wallung gebracht, ich durfte mich mit komplexen Rhythmen und Melodien beschäftigen. Und ich sage dir, ich habe mich wie Beethoven gefühlt in diesem beschissenen Zimmer, in dem ich wohnte – allein mit einem 4-Spur-Gerät. Als es Zeit war, mein neues Album aufzunehmen, hatte ich diese Instrumental-Musik hinter mir gelassen, ich konnte ganz frei an MINOR LOVE herangehen.
2. Es gibt zwei Arten von Songs auf dem Album: die einfachen Lieder mit den Folk-Melodien und die konstruierten Stücke mit den schrägen Sounds. Ist das ein Abschied vom Crooner Adam Green?
Man kann es so sagen: Die Cabaret-Musik übt keinen Einfluss mehr aus. Zur Zeit von GEMSTONES habe ich viel französische Musik gehört, Brei und Gainsbourg, dazu Frank Sinatra und Tony Bennett. Ich wollte diese Art von Musik auch live spielen und meine eigene Version davon in Songs gießen. Erinnerst du dich? Zu dieser Zeit lief dieses Rock-Disco-Ding, 80er-Revival. Ich verachte Disco total. Die übelste Musik, die es gibt. Ich wollte kein Teil dieser Bewegung sein. Mit der Cabaret-Musik habe ich mich auf meine Art davon distanziert. Und das war wirklich lustig: Ein Typ wie ich, ein Jude aus New York, ein Slacker, der nicht gerade aus der James-Dean- oder Clark-Gable-Schule kommt, gibt den smarten Entertainer. Ich bin doch ein Punk. Oder, was noch übler als ein Punk ist: ein Antifolk-Punk.
3. Von dieser Sinatra-Crooner-Geschichte hast du dich jetzt hörbar entfernt. „Breaking Locks“, der erste Song des neuen Albums, klingt ja wie dein ganz persönlicher Horrorfilm.
Das hat mit den Drogen zu tun. Der Song kommt aus der Phase, in der ich mich tatsächlich manchmal wie Frankenstein fühlte. Ich lag zum Teil eine ganze Woche lang nur im Bett rum und sah mir jeden greifbaren Frankenstein-Film an. Dann kam mir die Idee, einen Country-Song aus diesen Eindrücken zu machen, einen Country-Song mit einer funky Bass-Line. Noah Georgeson (der Produzent von MINOR LOVE, Anm.) ermutigte mich, den Song auf das Wichtigste zu reduzieren. Das hat dem kompletten Album eine gewisse Richtung verliehen.
4. Möchtest du mit diesem Album auch deinen Helden Lou Reed und Leonard Cohen huldigen?
Es ist kein Geheimnis, dass ich ein großer Fan von Lou Reed und Leonard Cohen bin. Aber ich denke nicht darüber nach, wenn ich singe, ich singe einfach. Man kann sich doch fragen: Liebt jemand einen Song, weil er wie Lou Reed klingt, oder weil er so klingt, wie er klingt? Ich mag sie alle: Jim Morrison, Elvis, Frank Sinatra und Lou Reed, ich habe ihre Lieder unter der Dusche gesungen und draußen auf der Straße, als ich noch sehr jung war. Meine Stimme ist eine Kombination all dieser Stimmen, so habe ich zu singen gelernt. Aber meine Stimme verändert sich ja auch. Ich möchte auch nicht, dass jemand mich auf etwas festnagelt. Mein Gesang ist mit etwas verbunden, das tiefer liegt, aber ich weiß nicht, was es ist. Und ich zögere, das „Seele“ zu nennen, weil ich nicht an die Seele glaube. Das hat damit zu tun, dass ich aus New York komme. Wir glauben hier nicht an die Existenz von Seelen.
5. Woran glaubt man in New York City? Ich rate mal: Immer noch und schon wieder an Rock’n’Roll?
Haha! Ich glaube an Fürze. Aber wohl auch an Rock’n’Roll, klar. Ich gebe Rock’n’Roll-Konzerte. Live muss man schwitzen. Ich weiß aber noch nicht, wie ich die neuen, ruhigeren Stücke live spielen werde. Sie sind so empfindlich, diese Stücke (grinst). Vielleicht sollte ich pro Konzert nur eines dieser Stück spielen.