5 Fragen an Wim Wenders
Der Regisseur über den Sinn von Soundtracks, schmerzhafte Schnitte und seine "„aktive Plattensammlung".
1 ln Ihrem neuen Film „Palermo Shooting begegnet der Fotograf Finn, gespielt von Campino, in einer Lebenskrise erst Lou Reed und dann dem Tod persönlich, gespielt von Dennis Hopper. Sehr persönliche Musik spielt dabei eine Hauptrolle. Warum?
Der Soundtrack ist wirklich das Einzige, wo ich mir nicht reinpfuschen lassen würde beim Film. Ich kenne Kollegen, die haben dann „music Supervisors“, die ihnen die ganze Musik hinlegen und ihnen sagen: „Hier könnte man, und da könntest du“sie nennen das dann „packaging“. Nee, also das würde mir keinen Spaß machen. Vor allem in dem Film jetzt, wo die Musik ja innerlich in die Geschichte reingehört und Finn – Campinos Rolle -ja die ganze Zeit Musik hört, das ist schon sehr persönlich, da kann ich dann niemanden ranlassen.
2 Wann ist ein Soundtrack mehr als nur Werbung für einen Film? Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal nach einem Film gedacht CJ Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal nach einem Film gedacht habe: Den Soundtrack will ich haben! Das Bedürfnis war mal kräftiger. Als das Ganze erfunden worden ist, in den 7oem, war die Sache ganz klar: Diese Musik gehörte in diesen Film, das war auch richtig so und irgendwie aus einem Guss. Und dann wurde es mehr und mehr instrumentalisiert, wohingegen ich das immer innerlich verstanden habe.
3 Monta, Get Well Soon, Thom – da sind auffallend viele junge Musiker im Soundtrack von „Palermo Shooting“.
Mit Thom zusammen habe ich ja schon einen Film gemacht, der Soundtrack von „Land Of Plenty“ war komplett Thom. Er ist für mich eine der ganz, ganz großen Begabungen in dieser Generation junger Musiker in Deutschland. Seine erste Platte, gods and monsters, ist eine der tragisch unbeachtetsten Platten überhaupt. Bei Konstantin Gropper von Get Well Soon ist das anders. Den hatte ich noch nicht auf dem Zettel. Ich hab mit ihm Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, ob ich neben dem bekannten noch einen neuen Song haben könnte. Monta kannte ich auch erst später, da waren wir schon fertig mit dem Drehen. Die sind mir durch ihr starkes Album aufgefallen. Alles andere hatte ich auf meinem iPod beim Dreh dabei.
4 Es heißt, beim Schnitt fallen mit manchen Szenen auch ganze Songs weg. Fällt das dem Regisseur nicht doppelt schwer?
Ja, in diesem Fall war das eine ganz harte Nummer. Wir haben eine lange Passage in Palermo herausgeschnitten. Und in dem Block war auch das Konzert, das ich mit Patti Smith in Palermo gedreht habe. Das war eine schmerzhafte Trennung. Aber es war klar: Wir waren mitten im Bauch des Filmes, und da ging eine ganze Weile die Geschichte nicht weiter. Irgendwann habe ich dann eingesehen, dass es daran lag, dass Finn eine viel zu lange Zeit einfach nur ziellos herumirrte. Dabei lernte er zwar die Patti kennen, was aber auch nirgendwo hinführte. Und deshalb habe ich dann den ganzen Block von zehn Minuten rausgenommen, inklusive des Konzerts. So was kommt aber auch häufiger vor, man gewöhnt sich an diesen Schmerz. Es gibt im Amerikanischen ein Zitat, einen Rat für das Schneiden von Filmen: „Kill your sweethearts“, also: Töte deine Lieblinge! In diesem Fall war Patti Smith mein „sweetheart“. Sie hat’s mit Fassung getragen
5 Wie darf man sich Wim Wenders, den Musikfan, vorstellen?
Ich habe eine aktive Plattensammlung insofern, als ich fast zur Hälfte Vinyl habe. Ich habe zwei Plattenspieler. Einen HiFi-Plattenspieler, der richtig schön spielt, wenn ich will. Und einen etwas rudimentäreren, der aber die ganz hervorragende Zusatztechnik besitzt, dass ich damit direkt MP3-Dateien erstellen kann. Ich kaufe auch noch LPs, weil ich vieles einfach schöner finde auf einer Platte. Andere Sachen gibt es nur auf Vinyl. Zum Beispiel Bonnie „Prince“ Billie, dessen „Death To Everyone“ beim Dreh unsere Hymne war – nicht nur bei mir, bei der ganzen Crew. Der Mann hat ja einen affenartigen Output, und vieles davon gibt’s nur auf Vinyl. Wenn man da nicht dahinter ist, verpasst man die richtig guten Sachen. Mal nennt er sich Palace, mal Will Oldham, mal Bonnie „Prince“ Billie, mal steht überhaupt nichts drauf. Und dann gibt es so ganz merkwürdige Platten, da stehen Fantasienamen drauf. Aber ich habe inzwischen Mittel und Wege, herauszufinden, was der Mann alles gemacht hat und macht. Das ist übrigens ein alter Traum von mir: Filme unter anderem Namen rauszubringen. Das ist mir bis jetzt nicht gelungen, weil: Man kann nicht heimlich Filme machen. Ich bin sicher, der eine oder andere Film von mir wäre völlig anders aufgenommen worden, wenn ein anderer Namen draufgestanden hätte.
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