Pedro Winter über die WurzeIn der Coolness


Mit dem Erfolg von Justice im Jahr 2OO7 hat sich das elektrorockende Label Ed Banger zur ersten Adresse der elektronischen Musik entwickelt. Ein Gespräch mit dem Labelchef.

Hast du eine Erklärung für den rasanten Aufstieg von Ed Banger in den vergangenen zwei Jahren?

Nein, aber ich habe eine Erklärung dafür, wieso wir so schnell unseren Namen, unsere Visuals und unsere Musik verbreitet haben. Es ist kein Geheimnis, es ist einfach eine Frage des Timings – ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir haben 2008, die Kids sehen nicht mehr fern, sie lesen keine Magazine mehr. Sie verbringen ihre Zeit mit dem Internet. Es gibt keine Grenzen mehr. Ed Banger ist das perfekte Beispiel für ein modernes Kommunikationsmodell im Massenmarkt. Aber ich hoffe auch, dass es an der Musik selber liegt. Wir bieten eine Alternative zu dieser cheesy, easy Ibiza-House-Music – David Guetta, Bob Sinclar, Martin Solveig. Wir verhalten uns zu elektronischer Musik wie Indie zu Rock. Wir sind sowohl die Indie-Variante von House als auch die von Rock. Ed Banger scheint jedermanns Indie-Label zu sein. Das macht uns größer und stärker. Anstatt nur für eine Art von Musikhörern zu arbeiten, arbeiten wir für alle. Ich bin ein großer Metalfan, Justice sind Fans von Queen und Abba, DJ Mehdi ist Fan von Run DMC – am Ende reflektieren wir mit unserer Musik einfach nur die unterschiedlichen Geschmäcker der Leute, die sie hören.

Ist die elektronische Musik zu akademisch und zu langweilig geworden, so dass die Electro-Rock-Fusion eine Notwendigkeit wurde?

Absolut. Die elektronische Musik hat sich selbst ausgelöscht, indem sie zu minimal, zu „intelligent“ und zu ernst geworden ist. Das war ich leid. Ich kann verstehen, wieso die Leute Ecstasy und so Zeug nehmen und um 9 Uhr früh in den Clubs tanzen. Ich respektiere das, weil ich manchmal selber in der Stimmung bin, in Einklang mit der Musik und der Crowd zu sein. Diese Leute können aber nicht verstehen, dass ein paar verrückte Ed-Banger-Typen Carl Craig, Kraftwerk und Run DMC auflegen, während die Kids stagediven wie bei einem Nirvana-Konzert. Das ist eine Frage der Toleranz. Es ist wahr, dass sich die elektronische Musik, vor allem der Techno, zu ernst nimmt. Ich sage das immer zu meinen Künstlern: Wir bringen mit unserer Musik und unseren Visuals den Spaß zurück.

Als elektronischer Musiker steht man unter enormem Innovationsdruck. Man muss immer den „hot shit“ produzieren. Wie gehst du damit um?

Vielleicht ist das das Geheimnis: Ich verspüre überhaupt keinen Druck. Ich glaube, wenn ich Druck verspüren würde, würde ich Fehler machen und schlechte Entscheidungen treffen. All das, was ich mache – und das ist vielleicht egoistisch – tue ich für mein ganz persönliches Vergnügen. Glücklicherweise fühlen sich im Moment eine Menge Kids davon angesprochen. Alles, was mich im Augenblick antreibt, ist Spaß an meinem Leben zu haben. Ich weiß aber, was du meinst. Natürlich gibt es Erwartungen an mich: Was wird er als Nächstes herausbringen? Aber ich habe keine Ahnung. Wenn ich eine Ahnung hätte, wäre ich ein Arschloch und würde den Leuten erzählen, das nächste große Ding ist Techno-Folk.

Du hast als Talentscout ein paar der wichtigsten elektronischen Musiker zurzeit entdeckt. Justice, Uffie, SebastiAn. Wie besteht man den „cool test“ für Ed Banger?

Ich bin ehrlich zu den Leuten. Ich höre mir zuerst die Musik an und denke, okay, Uffie bringt was Frisches rein, und SebastiAn ist ein supertalentierter Produzent. Außerdem muss ich mich mit den Leuten verstehen. Ich würde niemals die Musik von jemandem veröffentlichen, den ich nicht leiden kann – selbst wenn dieser jemand ein Genie wäre oder Millionen Platten verkaufen würde. Damit würde ich meine Zeit nicht verschwenden. Ich stecke viel Vertrauen in die Künstler, und ich möchte, dass sie auch mir blind vertrauen. Die Majorlabels wollen natürlich Vorteile aus ihren Künstlern ziehen. So läuft das Business. Ich versuche mein Geschäft auf eher konstruktive Art zu führen, anstatt nur Geld mit den Künstlern zu verdienen.

Die Künstler auf deinem Label haben alle verschiedene Hintergründe und musikalische Sozialisationen. Trotzdem gibt es einen Ed-Banger-Sound. Gibt es etwas, das alle Acts verbindet?

Vielleicht hast du dir die Antwort schon selbst gegeben. Die Leute sagen, „das ist Ed Banger“, wenn sie einen verzerrten funky Bass hören. Alles, was heute nach Krach klingt, ist Ed Banger (lacht). Es ist vielleicht eine verrückte Erklärung, aber Ed Banger könnte ein eigenes Genre werden, es gibt Pop, Klassik und Ed Banger. Es ist komisch, dass wir es in fünf Jahren erreicht haben, nicht nur ein Label aufzubauen, sondern auch ein Lebensgefühl zu schaffen. Die Kids ziehen sich an wie wir, hören die unterschiedlichsten Arten von Musik, die Shows sind ausverkauft. Es ist irgendwie irreal, verrückt.

Der Satz „klingt wie Ed Banger“ ist zu einem Markenzeichen geworden.

Ja. Ich möchte erreichen, dass Ed Banger als eine Einheit wahrgenommen wird, vergleichbar mit Domino und Rough Trade. Ich mache das ja nicht, um reich und berühmt zu werden. Ich habe noch viel Arbeit vor mir. Wir haben erst 2012-Inches herausgebracht und sind heute schon größer als ein Label wie Gigolo. Ich glaube nicht, dass wir besser sind, aber wir passen einfach in die Zeit.

Ed Banger hat eine sehr starke Identität als Gesamtkunstwerk: Musik, Videos, Coverartwork. Muss ein Label heutzutage in all diesen Bereichen aktiv sein?

Es ist eine Notwendigkeit. Die meisten Elektroniklabels veröffentlichen ihre la-Inches einfach in schwarzen oder weißen Papphüllen. Die Majorlabels sagen dir, dein CD-Booklet darf nur vier Seiten haben und du darfst keine Sonderfarben benutzen. Das ist total blödsinnig. Warum kaufen die Kids keine CDs mehr? Weil sie sich die Musik runterladen und auf CD brennen. Und die gebrannte CD ist exakt die gleiche wie die aus dem Virgin Megastore. Ich möchte, dass die Kids im Laden die neue Ed-Banger-Maxi erkennen, ich möchte, dass sie durch das Cover auf sie aufmerksam werden, weil ich glaube, dass das Cover ein Kunstwerk ist. Musik ist heutzutage kostenlos. Wenn man will, dass die Leute Geld ausgeben, muss man ihnen schon mehr bieten. Das Coverartwork ist ein wichtiger Bestandteil des Labels. Ich kann mir Ed Banger nicht ohne das Coverartwork von So-Me vorstellen.

Du betonst immer wieder, dass Ed Banger die Musik von heute ist. Willst du nicht morgen auch die Musik von morgen machen?

Nein, weil ich keine Ahnung habe, wie die klingen soll. Es ist ein bisschen anmaßend, über die Musik von morgen zu reden. Man muss geduldig sein. Geduld habe ich als Manager von Daft Punk gelernt. Ich glaube, dass die Leute heutzutage einfach keine Geduld mehr haben. Wenn ich sage, dass wir Musik von heute machen, bedeutet das ja nicht, dass man sie morgen nicht mehr anhören kann. Ich wünsche mir, dass man die Justice-Platte in zehn Jahren hören wird und sie dann immer noch ein starkes Album sein wird, so wie wenn man heute Dark side of the moon anhört – ohne zu anmaßend zu klingen. Ich setze vielleicht einen Fuß in die Tür von morgen, aber ich kann nicht meinen ganzen Körper hineinwerfen, dafür gibt es heute zu viel zu tun.

Es gibt ja Leute, die zu cool sind für das Coole. Spürst du den Backlash gegenüber Ed Banger?

Natürlich. Aber das ist total normal. Wir wurden 2006 und 2007 in drei Magazinen zum „Label des Jahres“ gewählt. Ich weiß, dass das nicht jedes Jahr so sein wird, obwohl ich mir das wünschen würde. Natürlich suchen manche Leute, die uns vor drei, vier Jahren entdeckt haben, nach dem neuen Ed Banger. Das ist zwar traurig, aber menschlich. Man will seine Entdeckung nicht mit anderen teilen. Deshalb lehnt man das, was man gestern noch geliebt hat, heute ab. Das ist okay, das ist die Realität. Ich bin nicht so. Ich bin immer noch großer Metallica-Fan, auch wenn ihre letzten drei Platten Mist waren. >» www.edbangerrecords.com