5 Fragen an Jens Friebe
Über das Recht der ersten Nacht, Tokio Hotel, Authentizität, Verdrängung und Stefan Raab.
1 Mein Lieblingslied auf der neuen Platte Das Mit Dem Auto Ist Egal, Hauptsache Dir Ist Nichts Passiert ist das hübsch unheimliche „Was es will“. Im Refrain wirkt es fast so, als wollten die Stimmen der Vergangenheit den Ich-Erzähler in den Selbstmord treiben.
Allgemein gesagt, geht es schon um Verdrängtes, das zurückkommt. Die erste Zeile, die ich hatte, war: „Und es wird lauter, wenn du die Ohren zuhältst.“ Da merkt man schon, dass mit dem Innen-Außen-Verhältnis was nicht stimmt. Wenn ein Geräusch lauter wird, während man sich die Ohren zuhält, ist das ein schlechtes Zeichen: Körperlich oder geistig stimmt was nicht.
2 Worum genau geht es in „Frau Baron“, speziell in der Zeile „Als hätten meine Spermien euer Spiegelbild gezeugt“?
Eigentlich um das Recht der ersten Nacht zu Zeiten der Feudalherrschaft: das Recht des Grundbesitzers auf die erste Nacht mit seinen Leibeigenen. Ich habe das geschlechtertechnisch umgedreht und aus der Sicht des Bauemsohns gesungen. Die Zeile ergibt ein etwas komplizierteres Bild: Die Baronin wäscht sich am See die Spermien des Bauemsohns ab – und im See sieht ihr Spiegelbild aus, als wäre es aus den abgewaschenen Spermien entstanden.
3 In „Erschreckend aktuell“ tauchen Tokio Hotel auf…
Wir haben im Vorfeld auch mit Universal verhandelt, und die haben nur ihre ganzen deutschsprachigen Sachen mitgegeben. Von denen fand ich Tokio Hotel am besten. „Übers Ende der Welt“ ist ein Knaller! Das hat ja bei Echt am Anfang auch noch funktioniert: wenn alte, professionelle Säcke jungen, energiegeladenen Küken Songs auf den Leib schreiben. Was Tokio Hotel Jugendlichen an schwuler Performance anbieten, finde ich cool und bin gespannt, wie das weitergeht: Bill könnte mal was Eigenes machen, wie Robbie Williams. Oder er wird tablettensüchtig und stürzt ab.
4 Über Leute wie Kante und dich sagt man heutzutage, die Musik sei zu verkopft, um „Spaß“ zu haben. Dazu kommt die mir komplett unverständliche Maxime, Musiker hätten so „authentisch“ wie möglich zu sein.
Es wird ja sogar schon über Tomte gesagt, dass sie verkopft seien. Nicht dass ich die blöd fände, aber die schreiben sich ja selber auf die Fahne, graderaus und volksnah zu sein: erdige Kerle, die sagen, wie es ist. Wenn denen schon Intellektualität attestiert wird, weiß man, wo die Latte hängt: Jeder, der nicht geistig behindert ist, ist „verkopft“. Das Problem mit der „Authentizität“ ist: In Wirklichkeit sind ganz bestimmte Vorstellungen daran gebunden, wie man in echt und auf der Bühne zu sein hat, um als authentisch durchzugehen. Man soll so sein wie die Deppen selbst. Mit „authentisch“ meint man also eigentlich: normal, durchschnittlich.
5 Wärst du bei Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“ dabei?
Ich glaube, ich stehe nicht in Gefahr, eingeladen zu werden. Es wäre mir ehrlich gesagt etwas zu gefährlich: Den kurzen Auftritt kriegen vielleicht gar nicht so viele mit, dafür spricht sich sicher herum, wenn man schlecht abschneidet. Und das kann ja immer sein, ich traue dem Urteilsvermögen der Raab-Zuschauer nicht uneingeschränkt.Ansonsten nehme ich aber so ziemlich jeden Scheiß mit.
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