Green Day: Ein Lied für Bush
Green Day-Chef Billie Joe Armstrong hat zwar eine politische Punk-Oper geschrieben, zeigt in Sachen Polit-Pop aber einige Bildungslücken, wie Marcel Anders erkennen musste.
Freitagnachmittag um 15 Uhr ist nun wirklich nicht die beste Zeit, um mit dem Auto von Köln nach Bochum zu fahren. Egal, ob A3, A40, A1, A45 – es staut sich der Feierabendverkehr. Und Green Day stecken mittendrin. Weshalb sie zu spät zum Venue kommen, wo Hunderte von Fans, ein Dutzend Journalisten und die Road-Crew warten. Also erst einmal zum Soundcheck, dann ein paar Interviews und schließlich das, worauf sich Sänger Billie Joe an diesem Nachmittag am meisten freut: das ME-Blinddate. Endlich einmal nicht die ewig gleichen Fragen zum neuen Album AMERICAN IDIOT beantworten, sondern Musik hören, Bier trinken und über die lieben Kollegen lästern. Doch dazu gibt ihm die Songauswahl wenig Gelegenheit: Es handelt sich vorwiegend um ambitionierte Polit-Kost. Und da steht der 32-jährige Familienvater aus San Francisco anfangs ziemlich auf dem Schlauch.
Fatboy Slim Slash Dot Slash
Billie Joe (erst verwundert, dann kurz an seinem Weizenbier nippend, und sobald die Gitarre einsetzt, rhythmisch im Takt nickend): Cool! Da scheint jemand Techno mit Punk-Rock kombinieren zu wollen. Ich weiß zwar nicht, was dieser „Slash dot, slash dot „-Refrain soll, aber der Beat ist prima, und auch die Surf-Gitarre ist klasse.
weißt du, wer das ist?
Keinen blassen Schimmer.
Fatboy Slim.
Oh! Das ist großartig. (Setzt sich die Kopfhörer wieder auf, nimmt noch einen Schluck Weizen)
A Perfect Circle Let’s Have A War
(schaut fragend) Mh, das hat auf jeden Fall eine starke politische Message: „Lasst uns einen Krieg starten, damit wir kräftig Geld verdienen können.“
Sag bloß, du kennst den Song nicht? Das ist ein Cover!
Ehrlich? Keine Ahnung. Wer ist das?
A Perfect Circle, die Band von Tool-Sanger Moynard.
Oh! Natürlich… (haut sich mit der Faust vor die Stirn) Und das ist ein Cover von Fear, einer Punk-Legende, die du eigentlich kennen solltest.
Oh! Stimmt. (Sichtlich verlegen). Aber mit dem Original hat das ja nicht mehr viel zu tun. In dem Fear-Song wird die ganze Zeit rumgeschrieen, wenn du weißt, was ich meine. Hier ist eher das Gegenteil der Fall (lacht). Egal, die Version ist nicht schlecht, auch wenn sie mich nicht umhaut. Aber das passt halt in die heutige Zeit. Geradezu bedenklich aktuell…
Manic Street Preachers The Love Of Richard Nixon
(trommelt auf dem Tisch und lacht als der Refrain einsetzt) Ha! Noch mehr Politik! Und sehr bissig! Für mich
klingt das wie Echo&The Bunnymen. Oder so was in der Art…
Das sind die Manic Street Preachers…
Sehr gut. Und die Aussage ist klasse. Eben die Parallelen zwischen Nixon und Bush zu ziehen. Die sind sich doch sehr ähnlich, auch wenn es heute fast noch schlimmer ist als damals. Das ist zumindest meine Meinung. Ich hasse Nixon, aber der hatte zumindest mehr Hirn als Bush. Und der Track ist cool, auch wenn er nach den Bunnymen klingt.
Sum41 No Reason
(grinst, wippt mit dem Kopf und sagt nach exakt 12 Sekunden) Das sind Sum 41! Ganz klar. Endlich lande ich mal einen Treffer. Ich dachte schon, ich würde mich hier völlig blamieren… (lacht), die sind wirklich nicht schlecht, und beziehen endlich mal konkret Stellung, was wirklich wichtig ist. Es scheint ohnehin so, als ob viele der jüngeren Punk-Bands gerade eine Phase durchmachen, in der sie sich stark weiterentwickeln und auch mal ein bisschen mehr tun, als einfach nur jung, süß und rotzfrech zu sein. Das ist klasse! All diese Bands haben jedenfalls meine uneingeschränkte Sympathie.
Wobei der Song nicht wirklich stark ist…
Nicht wirklich (lacht). Es mangelt ihm doch noch ein bisschen an Originalität. Mich erinnert es an NoFx trifft Metallica. Irgendetwas in dieser Art. Was aber okay ist. Sie haben eben definitiv noch einen langen Weg vor sich …
Rammstein Amerika
(lacht laut los, als das Intro erklingt) Ist das Rammstein? Das muss Rammstein sein! (presst den Kopfhörer ganz nah ans Ohr, um den Text zu verstehen. Schaut dann verdutzt auf, weil ihm das nicht gelingt. Lacht wieder.) Ich mag den Song. Er gehört zu der Sorte Polit-Songs, die mir am liebsten sind. Ganz einfach, weil sie eine klare Aussage haben, statt einfach nur etwas zu kommentieren, so wie es etwa Sum.41 tun. Rammstein spielen da in einer ganz anderen Liga. Eben um Klassen besser. Auch wenn ich die Strophen nicht verstehe, ein Satz wie „We’re all living in America “ ist doch ein ziemlich treffendes Statement. Gerade in Deutschland.
Ganz zu schweigen vom rollenden Rrrr…
(lacht) ganz genau, das kriegt wohl keiner besser hin als sie…
R.E.M. Leavinq New York
(Nach wenigen Takten) R.E.M.! (hört konzentriert bis zum Ende). Ich versuche immer noch herauszufinden, worüber er da eigentlich singt.
lst es „Lives“ oder „Lights“ im Refrain? Sag bloß, das kannst du als Muttersprachler auch nicht verstehen ?
Nein. Aber Michael Stipes Texte haben ja auch etwas von einer Katharsis, er spielt immer mit Poesie und ist sehr persönlich. Dadurch erzeugt er mehr ein Gefühl in dir, als dass er dir eine explizite Message mit auf den Weg gibt. Und dieser Song baut ganz klare Assoziationen zu den Ereignissen des 11. Septembers auf. Aber weißt du was? Ich stehe auf R.E.M., egal was sie machen. Sie waren eine der ersten Bands, die ich live gesehen habe. Ich war 13 Jahre alt, und sowas prägt. Der Song ist wirklich gut.
Kings Of Leon Slow Nights, So Long
(Nach der ersten Strophe) Was singt der da? Ich verstehe kein Wort! Klingt aber gut, zumindest was die Musik betrifft. Erinnert mich an eine funkige Ausgabe der Strokes. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Keine Ahnung, wer das ist.
Die Kings Of Leon.
Oh! Oh! Natürlich … (Blickt verschämt zu Boden) Die sind zwar nicht sonderlich populär in Amerika, aber umso mehr in Europa…
Ich habe sie sogar schon persönlich getroffen, und unser Drummer ist eng mit ihnen befreundet. Peinlich, peinlich…
Mambo Kurt Basket Case
(mit dem ersten Taktschlag) Oh mein Gott! (kichert) Das kann doch nicht wahr sein! (lacht schallend) Ich gehe kaputt! (trommelt vor Lachen auf dem Tisch und brüllt so laut, dass der besorgte Tourmanager vorbei kommt und fragt, ob alles in Ordnung sei.) Hey, das musst du hören! Sau-Cool! Wenn du einen Song coverst, dann so. Das ist das beste Cover von „Basket Case“, das ich je gehört habe. Sogar mit Abstand…
Wirklich?
Unbedingt! Wie heißt der Kerl?
Mambo Kurt. Ein Alleinunterhalter, der übrigens hier aus Bochum kommt …
Mambo was? Kurt? Nie gehört! Unglaublich cool!
Dabei ist die Version schon fünf Jahre alt!
Du machst Witze! Ich habe nie davon gehört. Der Wahnsinn! Das muss ich unbedingt auf CD haben. Es wäre genau der richtige Song, den man gegen Ende unserer Show einsetzen könnte. Also wenn das Licht angeht und die Leute den Saal verlassen. Die perfekte „Rausgeh-Musik“. Das muss ich gleich Mike (Dirnt, Bassist) erzählen. Der wird sich totlachen.
Psychedelic Fürs President Gas
(sofort) Das sind die Psychedelic Fürs!! Keine Frage… Ich liebe diesen Song. (Wippt begeistert mit) Großartig! Und immer noch aktuell. Ich meine, hör dir den Text an. Der ist von ’78 oder ’79. Ich weiß noch, wie ich mir vor vier oder fünf Jahren ihre „Best Of‘ gekauft habe. Und diese Zeile von „President Gas“ habe ich nie mehr aus dem Kopf bekommen. Deswegen habe ich sie auch als Referenz auf dem neuen Album verwendet in „Holiday“. Da heißt es: „Sieg heil to the President gasman“. Ich liebe diesen Song. Ich habe mir gerade den gesamten Backkatalog der Psychedelic Fürs auf CD gekauft. Eben die Remasters. Eine wunderbare Band.
The Who Happy Jack
Haha! Noch eine meiner Lieblingsbands! Ich finde The Who unglaublich geil. Vor allem die frühen Sachen. Oder besser gesagt: Nur die frühen Sachen bis Mitte der siebziger Jahre. Danach waren sie nicht mehr so toll. Aber „Happy Jack“ ist brillant. Der witzigste und schrägste Song aller Zeiten. Wir versuchen schon seit Jahren, etwas Ähnliches zu schreiben. Hoffentlich gelingt uns das irgendwann.
Vielleicht bei der nächsten Punkrock-Oper?
Ja, genau… In 20 Jahren, wenn wir alt und grau sind und der nächste Republikaner abgewählt werden muss. (lacht)