Iggy Pop


Viele halten ihn für den wahren Vater des Punk. Zu ultraharter Musik zerschnitt er sich schon den Oberkörper, als Johnny Rotten noch ein böser Schulbub war. Heute indes gibt er sich ausgeglichen und zuvorkommend — vielleicht weil ihn der Hafen der Ehe auf den Boden der Tatsachen gebracht hat. Nichtsdestotrotz meint er beim Blind Date nachmittags um zwei: „Laß dich durch meine Sonnenbrille nicht irritieren. So früh am Morgen bin ich noch lichtempfindlich.“ Was ihn nicht hinderte, den zehn Songs, die es zu erraten und kommentieren galt, sein ganzes Ohr zu leihen.

Debbie Harry: „French Kissing“

„Debbies neue Platte. Ich mag ihre Stimme, weil sie ein Gespür dafür hat. ein Mädchen zu sein. Sie übertreibt nicht und kreischt nicht wie so viele Sängerinnen a la Patti Labelle: diese marinierten Stimmen gehen mir auf den Keks.

Trotzdem ist das nicht die Musik, die ich zu Hause höre, eher schon beim Autofahren. Außerdem mag ich die Nummer, weil sie keine Botschaft hat und mir nicht diese Leier von ,arm und reich‘ vorbetet.“

Bob Geldof: „This Is The World Calling“

„An dieser Platte gefällt mir überhaupt nichts, besonders die Mentalität dahinter kann ich nicht ausstehen. Wenn ich das höre, möchte ich gleich nach meinem Scheckbuch greifen und ausrufen: ,0h Goti, welchen Grund zur Mildtätigkeit gibt es denn diese Woche?‘ Das ist nicht nur eine schlechte Platte, sie ist auch ziemlich anmaßend.“

Eurythmics: „The Miracle Of Love“

„Annies Stimme klingt hier sehr gut, viel feinfühliger als sonst. Ich war schon immer ein heimlicher Softie, der an die Liebe und an schluchzende Liebeslieder wie dieses hier glaubt.

Eurythmics-Songs sind immer unglaublich gut durchkonstruiert und kompakt. Das ist aber schon das Positivste, was ich über die Gruppe sagen kann, denn es gibt einiges, was mir an ihnen nicht gefällt. Oft klingen sie mir einfach zu mechanisch. Aber für diesen Titel halte ich die Daumen nach oben. Sehr clever.“

Robert Cray: „Smoking Guns“

„Wer ist das? Robert Cray? Das ist die erste Nummer mit einem richtigen Schlagzeuger. Und es klingt so, als würde da auch wirklich eine Band zusammenspielen. Ganz anders als die synthetische Kost, die wir bis jetzt gehört haben. Mag ich. Das Riff hätte auch schon von James Cotton oder der Paul Butterfield Bluesband vor 20 Jahren gespielt werden können.

Der Groove ist äußerst angenehm; wäre bestimmt die richtige Musik, wenn man morgens um sechs in einer Coffee Bar sitzt, eine Zigarette raucht und die Leute auf der Straße beobachtet. Seine Gitarre ist sehr stark — männlich, aber nicht so überdreht wie bei vielen, die nur onanieren.“

Sigue Sigue Sputnik: „Sex Bomb Boogie“

„Offensichtlich die Sputs“ Mir hat „Love Missile“ besser gefallen, da hatten sie noch Charme. Langsam müssen sie mal beweisen, daß sie noch ein anderes Riff beherrschen. Vor allem aber langweilen mich die Texte. Dieses angeberische ,C’mon baby, ich bin ein toller Typ mit ’nem Plattenvertrag. Laß uns ausgehen und die Sau rauslassen.‘ Ich glaub’s ihm nicht! Der Sänger ist wahrscheinlich ein Wicht, der sein ganzes Leben in einer Boutique gearbeitet hat und es jetzt endlich zu einer eigenen Band gebracht hat. Das ist schon in Ordnung, wir waren ja alle mal Wichte. Aber ich möchte ihn gerne singen hören, warum er so verzweifelt war, warum er Sputnik gegründet hat. Ich möchte etwas hören, das wirklich von der Band kommt.“

Cutting Crew:

„l’ve Been In Love Before“

„Mach’s aus! Das ist alles, was mir dazu einfallt. Ich möchte nichtmal wissen, wer das ist.“

Beastie Boys: „Girls“

„Das klingt schon besser. Ich mag diesen wahnsinnigen Sänger. Die anderen, mehr groovenden Sachen der Beastie Boys haben mir allerdings besser gefallen. Das hier reicht einem nach einer Minute.“

Nick Cave: „Hard On For Love“

„Klingt ein bißchen wie der „Black Angels Death Song“ von Velvet Underground. Ein bißchen sehr bemüht. Ich kenne die Stimme, wer ist das noch? Nick Cave. klar. Ich war ein großer Birthday Party-Fan. Wenn Cave singt, ist es immer so, als ob ein Sturm aufzieht, den nichts stoppen kann. Das hier ist sauberer produziert, was mir nicht so gefällt. Aber früher oder später kommen wir alle zum Produzieren.“

The Pretenders: „Room Full Of Mirrors“

„Chassie Hynde — unverwechselbar. Sie ist meine absolute Lieblings-Sängerin. Sie hat immer einen angenehm harten Beat und bringt nie süßliches Wischiwaschi. Sie hat’s und sie hat vor allem eine höllische Stimme. Viel Aggression und Wut, aber gut kanalisiert.“

PIL: „Home“

„Mr. Lydon — das ist definitiv die beste Platte, die wir bis jetzt gehört haben. Klingt als hätte Bill Laswell, sein Produzent, die Nummer geschrieben. Bill war viel in Detroit — zur selben Zeit, als ich mit meiner Band dort angefangen habe. Ich kann diesen Zugang zur Musik hören. Nach zwei Minuten weißt du, daß du irgendwo bist, daß irgend etwas passiert.“