Kate Bush: Gar nicht mal so zickig
Name: Bush Vorname: Kate Geburtstag: 30.7.58 Geburtsort: Welling Augenfarbe: Braun Größe: 164 cm Unveränderliche Kennzeichen: Eine Ausnahmeerscheinung in der Popmusik. Unterwirft sich keinerlei Zwängen, dirigiert zusammen mit Vater Bush kompromißlos ihre Karriere, feilt jahrelang an einem Album - und schafft es dennoch, mit ihren skurril-verträumten Songs in die Spitzen der Charts zu klettern.
Das Interview findet in Kates Tanzstudio außerhalb Londons statt. Die Dame des Hauses ist schlicht gekleidet, alter Pulli, alte Cordhose. Fast hätte ich sie übersehen, wenn da die großen, grünbraunen Augen nicht wären. Auch ungestylt hat Kate was Faszinierendes.
Ihrem Ruf als zickige Interviewpartnerin macht sie glücklicherweise keine Ehre. Im Gegenteil, sie zeigt sich äußerst kooperativ, reagiert geduldig, als gleich zwei (!!) Cassettenrecorder streiken.
Kate beantwortet die Fragen diszipliniert und konzentriert und so flüssig, daß gleich eine entspannte Gesprächsatmosphäre aufkommt. Fast hat man das Gefühl, sie mache aus der Not eine Tugend und wandle das Interview in etwas um, aus dem auch sie für sich positiven Nutzen zieht.
Nur eine kleine Begebenheit am Rande deutet darauf hin, daß mit Ms. Bush vielleicht doch nicht immer so gut Kirschen essen ist: Vor dem Gespräch stellt der Fotograf fest, daß die Lichtverhältnisse nicht die besten sind. Also rücken wir das Sofa um. Die EMI-Betreuerin kommt herein und ist außer sich: Ihr hättet doch Kate konsultieren sollen! Also zurück mit dem Sofa, fein säuberlich an seinen Platz. Kate kommt rein, wird gefragt, erlaubt gnädig ein Umrücken – und das Möbelschieben kann von neuem beginnen. Dann bittet Kate darum, nicht mit der Zigarette in der Hand fotografiert zu werden. Was eine echte britische Lady ist…
ME/Sounds: Es scheint hier ja eine regelrechte Invasion deutscher Journalisten zu geben, gerade der Stern, jetzt ME/ Sounds…
Kate: „Ich hab‘ nichts dagegen, ich scheine eine Menge Fans in Deutschland zu haben. Außerdem mag ich die Sprache.“
ME/Sounds: Ist das der Grund, weshalb du deutsche Worte auf deinem Album verwendest? Ich habe gehört, sie stammen aus dem Film „Das Boot“?
Kate: „Ja, ich finde vor allem diese Ch-Laute interessant, das macht die Sprache so dramatisch.“
ME/Sounds: Warum hast du drei Jahre gebraucht, um dein neues Album aufzunehmen?
Kate: „Ich habe nicht drei Jahre zum Aufnehmen gebraucht. Zuerst habe ich mein eigenes Studio gebaut, danach die Songs geschrieben und dann erst mit den Aufnahmen begonnen. Außerdem wollte ich eine Pause, weil ich ziemlich ausgelaugt war.“
ME/Sounds: Du hast deine Stimme seit der letzten LP deutlich gesenkt. Absicht oder eine natürliche Entwicklung?
Kate: „Als ich mein erstes Album machte, habe ich noch viel mit der hohen Stimme experimentiert. Wenn du älter wirst, verändert sich deine Stimme automatisch, sie wird tiefer. Hör dir zum Beispiel Joni Mitchell an! Am Anfang sang sie mit einer ungemein hohen Stimme, jetzt liegt sie sehr tief. Ich war nie glücklich mit meiner Stimme; ich hätte sie immer gern mehr unter Kontrolle gehabt.“
ME/Sounds: Nimmst du noch Unterricht?
Kate: „Nein, das ist lange her. Damals war das gut für mein Selbstvertrauen. Damit ich mich überhaupt traute, den Mund aufzumachen und rauszulassen, was rauswollte. Ich glaube, wenn man jung ist, dann läßt man sich leicht beeinflussen und beirren.“
ME/Sounds: Wie auf den letzten Alben hast du auch diesmal wieder mit deinem Bruder Paddy zusammengearbeitet. Hast du immer noch diese enge Verbindung zu deiner Familie?
Kate: „Ja, die Beziehung ist nach wie vor stark. Aber mein Leben ist meine Arbeit. Und damit verbringe ich die meiste Zeit.“
ME/Sounds: Wenn du Phasen hast, wo du dich ununterbrochen im Studio aufhältst…
Kate: „Oh ja, das ist wirklich alles andere als wünschenswert. Vor allem in den Londoner Studios. Bei unserem letzten Album hatte das Studio keine Fenster, wie ein Bunker! Zwar war es fantastisch ausgerüstet, aber für die Menschen war es wirklich unerträglich. Unser neues, eigenes Studio haben wir schön hell eingerichtet, das gibt ein ganz luftiges Gefühl. Du bist abends nicht so müde. Außerdem sorgen wir jetzt für unser eigenes Essen, es gibt nicht mehr jeden Abend Fast Food wie früher. Es macht ganz schön was aus, wenn du gut ißt.“
ME/Sounds: Lebst du noch vegetarisch?
Kate: „Ja klar, schon seit Ewigkeiten. Die Vorstellung, daß Tiere sterben müssen, nur damit ich Fleisch essen kann, dreht mir den Magen um.“
ME/Sounds: Hast du denn, abgesehen von der Zeit, wo du intensiv im Studio arbeitest, auch Phasen, wo du nicht so abgeschieden lebst, wo du ausgehst, unter Menschen bist?
Kate: „Ja, das Problem ist aber, daß man sich bei diesem Job so leicht isoliert. Das war einer der Gründe, warum ich mir mit HOUNDS so viel Zeit gelassen habe; ich wollte einfach ein bißchen Ruhe. Andererseits habe ich am liebsten allen Dinge selbst unter Kontrolle. Obwohl mir viele Leute helfen, treffe ich immer noch die meisten Entscheidungen selbst. Das kostet zwar viel Zeit, aber das ist es mir wert.“
ME/Sounds: Das klingt nicht gerade sehr euphorisch…
Kate: „Mag sein. Aber solange ich ab und zu längere Pausen machen kann, genieße ich auch das intensive Arbeiten sehr. Ich habe wirklich Glück, das tun zu können, was ich will. Das Studio zum Beispiel: Vor ein paar Jahren hätte ich davon nicht zu träumen gewagt. Es ist ein gutes Gefühl, seinen Träumen Schritt für Schritt näher zu kommen.“
ME/Sounds: Dein neues Album klingt für mich, als würdest du dich überhaupt nicht darum scheren, was auf dem Popmarkt passiert. Es klingt zwar anders als die Vorgänger, aber du machst immer noch den Eindruck, als lebtest du allein auf einer Insel. So, als würdest du alles in dir sammeln und es dann in einem Schwung nach draußen geben.
Kate: „Sicherlich bin ich sehr subjektiv. Ich versuche, in meinen Songs interessante Geschichten zu erzählen. Aber du hast recht: Ich höre nicht oft Popmusik. Ich verbringe so viel Zeit im Studio mit meiner eigenen Musik. Und wenn ich dann nach Hause komme, dann sehe ich mir lieber ein Video an, eine Komödie, irgendwas Leichtes als Kontrast zu dem, was ich den ganzen Tag mache. Wenn ich müde bin, dann höre ich die Musik anderer Leute eher kritisch. Dabei sollte man sie doch genießen. Ich höre gerne klassische Musik, auch Musik vom ECM-Label, contemporary classical music, Leute wie Eberhard Weber. Die machen letztlich nämlich auch klassische Musik, obwohl sie moderne Instrumente benutzen. Und du wirst nicht durch banale oder blöde Texte runtergezogen. Du schwebst einfach ab und machst dir deine eigenen Bilder. In den Staaten gibt es auch ein sehr gutes Label, Windham Hill, wo sie ähnlich wie bei ECM sehr wählerisch sind, was die Künstler betrifft. Das ist sehr schöne Instrumentalmusik.“
ME/Sounds: Welche klassischen Komponisten hörst du denn?
Kate: „Ehrlich gesagt, kenne ich nicht übermäßig viele. Ich mag Delius und Vivaldi. Vivaldi ist intensiv, so positiv und hell, und er hat so etwas Nobles.“
ME/Sounds: Kommen wir zurück zu deinem Album. „Hounds Of Love“ auf der A-Seite und die B-Seite „The Ninth Wave“ sind offensichtlich zwei unterschiedliche Themenkreise, obwohl es sich wohl doch immer um Beziehungen dreht…
Kate: „Für mich sind es zwei sehr verschiedene Aspekte. Die A-Seite besteht aus fünf völlig getrennten Songs, in denen es um Beziehungen geht, genau wie du sagst. „The Ninth Wave“ dagegen ist eine zusammenhängende Geschichte. Das war eine große Herausforderung für mich, sieben zusammenhängende Songs zu schreiben. Wenn ich nur einen kleinen Teil veränderte, dann veränderte das gleich den ganzen Rest.“
ME/Sounds: Hast du alles vorher ganz genau durchgeplant?
Kate: „Ich wollte schon lange Musik schreiben, die eine Plattenseite umfaßt, im Gegensatz zum Drei-Minuten-Song. Vor drei Jahren kam mir die Idee von jemandem, der eine ganze Nacht im Wasser durchhalten muß, bis zum Morgen. Ich glaube, das ist symbolisch für alle möglichen Situationen. Kürzlich zog jemand eine interessante Parallele und meinte, es könne sich um einen Heroinabhängigen handeln, der eine Entziehungskur macht. Ich finde es aufregend, wieviele unterschiedliche Dinge da reininterpretiert werden. Für mich geht es um die Idee von jemandem, der im Wasser ist – die Einsamkeit, die Angst…“
ME/Sounds: Wie kommt er denn ins Wasser?
Kate: „In dieser Geschichte von einem Schiff: Er wird von Deck gespült, niemand hat es gemerkt. Aber letztlich ist das zweitrangig, wichtig ist die Tatsache, daß er im Wasser ist, die extreme Isolation. Sie kann sich sehr bizarr auswirken; das geht bis zur Halluzination. Im Traum tauchen plötzlich alle möglichen Leute aus dem Wasser auf, Freunde, und auch ein Lehrer, der ihn wach halten will.“
ME/Sounds: Ist das so wie der Film des Lebens, der noch einmal vor dem geistigen Auge eines Sterbenden abläuft?
Kate: „Ja, genau.“
ME/Sounds: Hast du dich selbst schon mal in einer derart extremen Situation befunden?
Kate: „Nein, zum Glück noch nie. Aber manchmal sind es schon kleinere Ereignisse, ein kurzer Moment im Leben, der dir plötzlich die Augen öffnet. Da erkennst du dann beispielsweise, daß du jemandem hättest sagen sollen, daß du ihn liebst. Oder du erkennst, daß du dein Leben anders organisieren solltest. In so einem Moment siehst du dein Leben fast objektiv, nimmst nicht mehr alles so selbstverständlich hin. Du gehst durch diese Erfahrung hindurch und wenn du auf der anderen Seite herauskommst, hast du viel über dich gelernt. Was ich an dieser Situation faszinierend fand, das war, daß man irgendwann den Sinn dafür verliert, wo sich der Körper befindet. Das Gehirn löst sich und hebt ab. Das war eine gute Ausgangsposition, mit dem Körper im Wasser, während dann der Kopf in verschiedene Situationen wandert.“
ME/Sounds: Sieht denn der Schiffbrüchige in „Hello Earth“ die Erde?
Kate: „Ja, das ist in vielerlei Hinsicht der Höhepunkt dieser Seite. Du bist right on the edge, du akzeptierst alles. Von einem wahrhaft objektiven Standpunkt im All aus siehst du alles, was auf der Erde passiert. Dann kommt der Morgen – und mit ihm die Hoffnung. Überall ist Licht, Vögel kommen geflogen, die Rettung naht.“
ME/Sounds: Die Songs auf der neuen LP beinhalten eine andere Art von Metaphysik als deine vorangegangenen Platten. Damals scheinst du alles Mögliche ausprobiert zu haben. Hast du eigentlich einen Lehrer, einen Guru?
Kate: „Nein, ich hatte nie einen Guru. Sicher, alle Menschen fühlen sich von religiösen Ideen angezogen, vor allem künstlerisch tätige Menschen. Alle suchen nach einem Ordnungsprinzip, das ihnen hilft, mit ihrem Leben fertig zu werden. Normalerweise fängst du als Teenager an, zu überlegen und zu grübeln, wer du eigentlich bist. Durch die Phase bin ich natürlich auch gegangen. Jeder will daran glauben, daß es diese überirdischen Kräfte gibt, die sich um einen kümmern. Jeder ist fasziniert davon. Auch ich bin auf eine undefinierbare Art sicher, daß es sie gibt – und das drückt sich auch in meinen Songs aus.“
ME/Sounds: Du siehst äußerlich sehr zerbrechlich aus. Wenn ich aber deine Songs höre, dann machst du auf mich den Eindruck, als wüßtest du genau, was du willst.
Kate: „Zumindest musikalisch weiß ich genau, was ich will; wenn nicht, dann finde ich es sehr schnell heraus. Aber ich glaube, man muß zwischen physischer, geistiger und emotionaler Stärke unterscheiden. Physisch bin ich nicht sonderlich stark. Aber durch meine Arbeit habe ich eine innere Stärke erworben, die ich vorher nicht besaß.
Außenstehende Leute meinen oft, daß ich eine sehr isolierte, behütete Existenz führe. Das stimmt! Aber auf der anderen Seite macht man auch schmerzliche Erfahrungen, wenn man berühmt ist. Und durch die wirst du stark. Wichtig ist, daß man etwas hat, dem man sich widmen kann. Ich bin glücklich, daß ich meine Musik habe, die mir ermöglicht, meine Energie zu kanalisieren.“
ME/Sounds: Hast du den Eindruck, daß du die Leute manchmal durch diese Diskrepanz verunsicherst, vor allem Männer?
Kate: „Nein, glaube ich eigentlich nicht. Manche Leute sind vielleicht nervös, weil ich berühmt bin. Ich bin auch nervös, wenn ich im Studio mit jemandem arbeite. Dann will ich gewaltsam alles richtig machen. Manchmal sind dann beide Seiten verunsichert, ohne es zu merken. Aber ich glaube nicht, daß ich eine bedrohliche Ausstrahlung habe. Mir ist es am liebsten, wenn die Leute gerne mit mir arbeiten. Ich möchte, daß sie etwas von dem zurückbekommen, was sie investieren.“
ME/Sounds: In deinen Texten tauchen sehr detaillierte Beobachtungen deiner Mitmenschen auf…
Kate: „Ich bin nicht sicher, ob ich so viel über Menschen weiß. Wenn du schreibst, dann bist du nicht mehr du selbst. Wie in den griechischen Dramen, in denen der Chor die Rolle des Erzählers übernimmt. Du schlüpfst in eine andere Rolle. Ich glaube, in meinen Songs wirke ich viel stärker und dominierender als ich es in Wirklichkeit bin.“
ME/Sounds: Ein wichtiger Bestandteil deines künstlerischen Ausdrucks war für dich immer der Tanz…
Kate: „Für mich ist Tanzen etwas, das ich mehr oder weniger regelmäßig mache, seit ich 17 Jahre alt bin. Zum Glück kann ich mir inzwischen Privatstunden leisten; da kann der Lehrer wirklich auf dich eingehen. Der Tanz tut so viel für mich, er weckt meinen Geist und meinen Körper auf; ich fühle mich dadurch disziplinierter.“
ME/Sounds: Du hast deinen Tanzlehrer gewechselt?
Kate: „Neue Lehrer können inspirierend wirken. Diane Cullert, meine jetzige Lehrerin, unterrichtet modernen Tanz. Und sie ist nicht nur eine gute Lehrerin, sie bewegt sich auch selbst fantastisch. Das gibt dir den Drang, es auch so zu lernen. Außerdem ist es für eine Frau einfacher, bei einer Lehrerin zu lernen, weil die sich automatisch graziös bewegt. Da sind nicht die großen Muskeln wie bei den Männern; das ist eine ganz andere Art von Ästhetik.“
ME/Sounds: Hat Diane auch am Video zu „Running Up That Hill“ mitgewirkt?
Kate: „Wir haben die Choreographie zusammen entworfen. Das hat Spaß gemacht. Und alles, was Spaß macht, ist gut.“
ME/Sounds: Wer ist dein Partner in „Running Up That Hill“?
Kate: „Wir haben uns viele Tänzer angesehen. Tänzer benutzen ihren Körper, um ihre Persönlichkeit zu projizieren. Schon wenn einer reinkam, wußten wir, ob er geeignet war. Bei ihm haben Diane und ich uns angesehen und sofort gesagt: Der ist es. Und er war’s auch. Ein guter Typ, toll zum Zusammenarbeiten.“
ME/Sounds: Also war das Video keine Hürde für dich?
Kate: „Ich hatte eine Muskelzerrung. Es ist schwierig, Tanz in Film umzusetzen. Einige Tänze wurden durchs Video erst populär, aber dann fangen sie auch schnell an, langweilig zu werden. So wie der Break Dance. Wir wollten etwas Ernsthaftes, das etwas über die Beziehung zwischen zwei Menschen aussagt. Auch bei dem neuen Video mit Donald Sutherland hatte ich Glück. Es gibt nichts Schlimmeres als Leute, von denen du das Gefühl hast, du arbeitest gegen sie – statt mit ihnen.“
ME/Sounds: Für mich ist „Running Up That Hill“ eines der wenigen Videos, die glaubhaft die Spannung, das Vor und Zurück in einer Beziehung ausdrücken.
Kate: „Das freut mich! Es geht ja um einen Mann und eine Frau, die sehr verliebt sind – und um die Mißverständnisse, die auftauchen, weil sie so verschieden sind. Wenn sie die Plätze tauschen könnten, würden sie sich vielleicht besser verstehen.“
ME/Sounds: So ganz scheinst du ja doch nicht auf einer Insel zu leben, zumindest mußt du dir eine ganze Menge Videos angesehen haben…
Kate: „Ja, ich achte im Fernsehen darauf. Normalerweise wird Tanz im Video auf eine üble Art präsentiert. Michael Jackson war exzellent, aber seine Kopien waren fürchterlich.
Außerdem haben viele Videos keine richtige Geschichte. Ich nehme an, das hängt mit der Ausbeutung des Mediums zusammen. Viele Musiker werden zu albernen Dingen gezwungen, bei denen sie sich nicht wohl fühlen. Das sieht man dann natürlich unweigerlich im Video. Die tun mir aufrichtig leid.“
ME/Sounds: Findest du es bedauerlich, daß Videos immer wichtiger werden, um eine Platte zu verkaufen?
Kate: „Ich glaube, diese Phase hat auch ihre interessanten Aspekte. Wenn es zu einer guten Platte ein gutes Video gibt, dann kann das durchaus inspirierend sein. Aber eine schlechte Platte mit einem miserablen Video – einfach fürchterlich!“
ME/Sounds: Aber auch die verkaufen sich…
Kate: „Ja, leider. Es sollte die Platte sein, die die Platte verkauft; das Video sollte nur eine nette Dreingabe sein.“
ME/Sounds: Warst du erstaunt über den Erfolg deines neuen Albums?
Kate: „Ja, ehrlich überrascht.“
ME/Sounds: Hat die EMI dir für dieses Projekt völlig freie Hand gelassen?
Kate: „Ja, das lief so wie bei den vorigen Platten auch. Wir machen sie, geben sie der Plattenfirma und können nur hoffen, daß sie sie mögen. Und die EMI mochte sie. Es ist ein Glück, daß die so hinter mir stehen. Sie können natürlich erheblichen Einfluß auf den Erfolg einer Platte nehmen.“
ME/Sounds: Arbeitest du noch manchmal mit deinem „Entdecker“ David Gilmour zusammen?
Kate: „Selten. Bei der letzten Platte kam er vorbei, um die Backing Vocals aufzunehmen. Er hat eine sehr schöne Stimme; die meisten Leute sehen ihn wohl nur als Gitarristen.“
ME/Sounds: Hast du eigentlich engen Kontakt zur Londoner Musiker-Szene?
Kate: „Nein, ich gehe auch ungern auf Parties. Folglich treffe ich andere Musiker hauptsächlich während meiner Arbeit. Meistens habe ich Freunde zu Besuch. Ich finde die Situation angenehmer, wenn nur wenige Leute zusammen sind. Es ist dann einfacher zu kommunizieren.“
ME/Sounds: Wie sieht es mit den Plänen für ein Buch aus?
Kate: „Das ist nur ein Gerücht, das wahrscheinlich aufkam, als ich das Angebot hatte, ein Buch zu schreiben. Vielleicht, wenn ich 40 Jahre bin und schon ein bißchen auf mein Leben zurückblicken kann.“
ME/Sounds: Was liest du zur Zeit?
Kate: „Ich komme leider kaum zum Lesen. Und wenn ich ein Buch lese, dann brauche ich ewig dazu. Aber ich ziehe sehr viel für mich raus. Es ist schade, daß heutzutage so wenig gelesen wird. Fürs Glotzen brauchst du dich nicht anzustrengen, aber wenn du ein Buch liest, dann mußt du dir die Situation wirklich vorstellen.“
ME/Sounds: Du mußt dir deine eigenen Bilder machen…
Kate: „Ja, Bücher sind unglaublich, ich wünschte, ich könnte mehr lesen. Als Kind habe ich mehr gelesen. Als Kind sind die Tage sehr schwer rumzubringen, aber wenn du erwachsen bist, dann gehen sie viel zu schnell vorbei, nicht wahr?“
ME/Sounds: Woher nimmst du denn die Anregungen, die Eindrücke, die du in deinen Texten verarbeitest? Ist das nur Privatleben?
Kate: „Ich versuche, wie ein Schwamm alles aufzusaugen und dann die Ideen rauszupicken, die zur Musik passen. Die Musik sagt mir praktisch, wo’s längs geht.“
ME/Sounds: Du hast keine direkten politischen Bezüge in deinen Texten. Verfolgst du, was in der Politik passiert?
Kate: „Ich verstehe nicht viel von Politik. Irgenwie scheint das alles auf dem Papier besser auszusehen als in der Praxis. Ich finde es fürchterlich, was manche Regierungen den Menschen antun. Aber ich weiß auch nicht, wie man das ändern könnte.“
ME/Sounds: Fühlst du dich durch die Situation der modernen Welt bedroht?
Kate: „Dieses Land ist in einem traurigen Zustand. Es gibt so viel Arbeitslosigkeit, so viele unglückliche Leute. Überall fressen die Computer die Jobs der Menschen auf. Das Schlimme ist auch, daß die Menschen sich schämen, weil sie arbeitslos sind. Sie fühlen sich wie Kriminelle, und das zehrt natürlich an ihnen.“
ME/Sounds: Kennst du überhaupt Leute, die davon direkt betroffen sind?
Kate: „Ja, doch die meisten haben schnell wieder Arbeit gefunden. Aber in den Medien siehst du die extremen Fälle. Und die sind wirklich tragisch.“
ME/Sounds: Kannst du dir vorstellen, ein Kind zu haben? Das ist ja in deinem Job nicht ganz einfach…
Kate: „Nein, noch nicht. Wenn ich wirklich ein Kind wollte, dann müßte ich mein Leben neu überdenken. Bisher habe ich den Wunsch noch nicht gehabt.“