Max Richter
Sleep
Deutsche Grammophon/Universal VÖ: 4. September 2015
Neoklassik: Ein einstündiger Auszug aus dem über achtstündigen Werk SLEEP des britischen Komponisten.
Er hofft, sagt der britische Komponist Max Richter, dass die Hörer bei seinem Werk SLEEP einschlafen werden. Die Hoffnung ist nicht ganz unbegründet, SLEEP dauert 8 Stunden und 25 Minuten und dürfte damit das längste einteilige Stück in der Geschichte der klassischen Musik sein. Die Idee mag auf den ersten Blick prätentiös erscheinen, aber Max Richter ist weniger interessiert am Aufstellen von Rekorden als vielmehr an der Interaktion zwischen Musik und den verschiedenen Bewusstseinszuständen. Und tun wir das nicht dauernd? Musik hören in verschiedenen Bewusstseinszuständen, wach und im Halbschlaf, hochkonzentiert und nebenbei als Geräuschkulisse, besoffen und auf Droge und nüchtern?
SLEEP ist geschrieben für Klavier, Streicher, Elektronik und Gesangsstimme. Richter, der große Romantiker unter den zeitgenössischen Komponisten, ist auch hier hin- und hergerissen zwischen der Tonalität der Spätromantik und der minimalistischen elektronischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts.
Wenn in „Path 5 (Delta)“ wortloser Gesang zu dezenter elektronischer Begleitung erklingt, darf man auch ruhig an Ennio Morricone denken, auch der italienische Komponist hat Musik geschrieben für Filme mit traumartigen Sequenzen zwischen Schlaf und Wachzustand. Andere Stücke wie „Space 21 (Petrichor)“ sind purer Ambient, der sehr hilfreich ist beim sanften Hinübersegeln in den Schlaf. SLEEP ist in seiner epischen Länge auch eine Betrachtung über die Zeit, die von Musik wesentlich mitgestaltet und markiert wird. FROM SLEEP, die einstündige Vorbereitung auf das Gesamtwerk, ist in den üblichen physischen Formaten erhältlich, die achtstündige Fassung gibt es aus nachvollziehbaren Gründen nur digital.
P.S.: Wir müssen Max Richter enttäuschen. Der Komponist glaubt, dass kein Mensch SLEEP in seiner Gesamtheit anhören wird. Wir haben es getan. Zwar nicht am Stück, sondern in Scheiben, an drei Tagen. Aber eingeschlafen sind wir dabei nicht.