Linkin Park

FROM ZERO

Warner/Machine Shop Records (VÖ: 15.11.)

Linkin Park überraschen auf ihrem Comeback-Album mit einer Wundertüte aus Nu Metal und Pop-Balladen.

„Das ist doch gar nicht mehr Linkin Park! Chester hat die Band ausgemacht! Die klingen ja jetzt ganz anders!“ So oder so ähnlich heißt es ja gerne auf Social Media. Doch Stopp. Klar klingt das Album nicht nach „den alten Linkin Park“. Das liegt aber nicht am fehlenden Chester Bennington oder an Rapper Mike Shinodas Pop-Eskapaden der vergangenen Jahre, sondern schlicht daran, dass die romantisierten „alten Linkin Park“ seit fast 20 Jahren nicht mehr existieren.

Die Band hat sich schon immer weiterentwickelt und jedes Album seit MINUTES TO MIDNIGHT (2007) wurde von der vermeintlichen Fanbase aus dem ein oder anderen Grund schon mal zerrissen (Stichwort: zu poppig). Gerne auch mit der Begründung: „Das hat doch mit Linkin Park nichts mehr zu tun!“ Doch, hat es. Und jetzt zum neuen Album, der neuen Linkin-Park-Version.

Vielseitiger als erwartet

Linkin Park haben den Geniestreich gewagt, drei Singles auszukoppeln, die alle in etwa ähnlich klingen und die Welt so glauben zu lassen, die Platte hätte einen auf diese Weise festgelegten Sound. Klar, „Heavy is the Crown“ ist ein guter Song, „The Emptiness Machine“ vermutlich einer der besten im gesamten Band-Katalog (cancelt mich halt). Und nichts hat auf die schiere Härte von „Casualty“ mit seinen Korn-Gitarren oder auch dem Hardcore-Riff auf „IGYEIH“ vorbereitet. Im krassen Gegensatz dazu stehen aber die Pop-Lieder auf FROM ZERO. Der Closing-Track „Good Things Go“ erinnert beispielsweise mit seiner Ohrwurmmelodie und dem sanften Autotune an das 2017er Werk ONE MORE LIGHT, während „Overflow“ eher atmosphärisch und mit modernen HipHop-Einflüssen in eine andere Richtung deutet.

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Und dann ist da noch „Two Faced“, das den meisten Oldschool-Fans gefallen dürfte und sich an der METEORA-Formel bedient. Also: Klassisches Gitarrenriff, simpler Rap-Part, Vocal Scratches, große Melodie im Refrain und dann von der Flüster-Passage direkt in den Scream. Genauso als wäre es 2003.

Solide abgeliefert, aber zukünftig gerne weniger Shinoda

So ist FROM ZERO ein grundsolides Album geworden, das für die gesamte Fanbase einiges bereithält, ohne dabei das Gefühl zu erzeugen, die Band sei Kompromisse eingegangen. Man kann den Spaß, den die Gruppe im Studio hatte, in jedem Ton hören. Nur einen kleinen Punktabzug gibt es: Vielleicht sollte Mike Shinoda sich nächstes Mal mit den Gesangseinlagen etwas zurückhalten, da sein Stimmumfang einfach doch in dem Maße begrenzt ist, das es auf Albumlänge irgendwann auffällt. Der klare Profi der Platte: Emily Armstrong.

Die Kontroversen

Auch wenn Linkin Park in der neuen Besetzung erst seit diesem Jahr existiert, haben Shinoda und Co. schon lange mit der Sängerin geliebäugelt, sie bereits 2019 zu ersten Proben eingeladen und seit 2023 mit ihr dann aufgenommen. Seit der offiziellen Bestätigung, dass die Gruppe um sie erweitert wird, gibt es Gegenstimmen. Als Frontfrau ist Armstrong umstritten. Die Gründe: Sie war oder ist Mitglied der Church of Scientology – hierzu äußert sie sich derzeit nicht – und war beim Gerichtsprozess um den inzwischen verurteilten Vergewaltiger Danny Masterson vor Ort. Dazu nahm sie hingeben ausgiebig Stellung und entschuldigte sich. Die kritischen Stimmen bleiben dennoch. Aber außer Spekulationen gibt es dazu keine neuen Fakten und auf der Platte keine Hinweise in die Richtung.

Kommen wir also zum nächsten Mecker-Punkt auf der Fan-Liste: Sie ist nicht der große, unantastbare Chester Bennington. Der Märtyrer, der vermeintlich den Nu Metal aus der Dad-Rock-Radio-Sparte und in die Feuilleton-Kategorie „getriebener Künstler“ gehoben hat. Ein hochtalentierter Musiker, eine Symbolfigur, ein Kurt Cobain seiner Genration. Aber am Ende hat er eines mit seiner umstrittenen Nachfolgerin gemeinsam – obwohl er den Sound von Linkin Park entscheidend geprägt hat, war auch Bennington kein Gründungsmitglied von Linkin Park. Wenn also der Rest der Band, inklusive eines Großteiles der Originalbesetzung, beschließt, mit einem neuen Gesicht weiterzumachen, dann ist das ihr gutes Recht und beschmutzt nicht zwingend irgendjemandes Erbe.

Sie passt perfekt

Abgesehen von den Kontroversen fällt es schwer, in Emily Armstrong etwas anderes als eine unfassbare Sängerin zu sehen, die musikalisch perfekt zu Linkin Park passt. Ihr Klargesang reicht von herzzerreißend bis trommelfellzerfetzend. Und an ihren Harsh Vocals lässt allein der 15-sekündige Scream auf „Heavy Is The Crown“ kein Zweifel.

Wohl oder übel haben Linkin Park die Entscheidung getroffen, weiterzumachen und jemand Besseres hätten sie sich beim besten Willen nicht für den Gesangspart aussuchen können. Wer das anders sieht, der*die sei an dieser Stelle an die zweitägige Horrorvorstellung erinnert, Deryck Whibley von Sum 41 könnte den Posten übernehmen. Zum Glück wurde das Missverständnis schnell aufgeklärt!

Die Band kennt ihre Wurzeln. Sie sind auf der Platte deutlich erkennbar, gemischt mit einem erneuerten, modernisierten Sound, der den „alten Linkin Park“ in nichts nachsteht – wie auch immer man die definieren möchte.

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