Kolumne

Aidas Popkolumne: Was noch zur US-Wahl zu sagen bleibt


Am 5. November wird in den USA gewählt und Aida denkt in ihrer Kolumne über die Verpoppung der Politik nach.

Noch einmal schlafen (und ein paar Stunden Zeitverschiebung), dann ist es endlich vorbei: die US-Wahl. Haha, reingefallen – ist es natürlich nicht. So ziemlich alle Expert*innen sind sich sicher, dass es wahrscheinlich noch tagelang kein finales Ergebnis geben wird. Und wenn es das geben sollte, dann wird es angezweifelt und in Frage gestellt werden, wie schon vor vier Jahren. Nur, dass Trump-Fans mit einer eher lockeren Verbindung zur Realität mittlerweile besser vorbereitet sind und sich als Wahlhelfer, Wahlbeobachter und in Wahlkommissionen haben hineinwählen lassen.

Wie es also ausgehen wird? Das Rennen ist so knapp, dass niemand wirklich eine seriöse Aussage darüber treffen kann, wie die USA und der Rest der Welt am Mittwoch aufwachsen werden. Und vielleicht deswegen regnet es jetzt, kurz vor Schluss, Celebrity- und Künstler*innen-Endorsements, nachdem sich viele Künstler*innen monatelang eher bedeckt hielten. Am Freitag stieg Cardi B für Kamala Harris auf die Bühne, und nach „Witzen“ eines Comedians über das US-Territorium Puerto Rico als „Insel aus Müll“ beim großen Trump-Wahlkampfevent in New York vor einigen Tagen, wurde die gesamte puertoricanische Community laut – der sonst eher sich mysteriös bedeckt haltende Bad Bunny veröffentlichte ein Statement, Jennifer Lopez setzte „let’s get loud“ in die Realität um und Hüftschwung-King Ricky Martin schrieb gemeinsam mit Hamilton-Komponist Lin-Manuel Miranda und der Sängerin und Schauspiellegende Rita Moreno gemeinsam einen Meinungsbeitrag in der „New York Times“, in dem sie vor Trump warnten. Stand jetzt nicht auf meiner Bingokarte, aber hey.

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Apropos Puerto Rico: von dort meldete sich Influencer und Amateurboxer Jake Paul, der seine Fans aufrief, für Trump zu stimmen. In ein paar Tagen kann er das bei seinem Showkampf mit Mike Tyson klären, der schon im September erklärte, Trump die Daumen zu drücken, weil er ihn „für einen guten Menschen“ halte. Well, zumindest mit der Meinung bist du wahrscheinlich relativ alleine, Mike.

Vor ein paar Monaten noch wollten sich nur wenige öffentlich festlegen. Das habe ich selbst bei meinem Aufenthalt in den USA erlebt: Über Politik reden wollten nur noch wenige Künstler*innen, sich festlegen kaum jemand. Niemand hatte Bock auf diese Wahl, und vor allem wollte es sich niemand mit gefühlt der anderen Hälfte des Landes anlegen – besonders wenn die andere Hälfte jederzeit deine Social-Media-Accounts fluten und dich für deine Statements beschimpfen kann. Und ob ein Celebrity-Endorsement, wie die öffentlichen Erklärungen genannt werden, wirklich etwas bringt, darüber ist sich die Politikwissenschaft noch uneinig. Wählt wirklich jemand eher Kamala Harris, weil sich Taylor Swift und Beyoncé für sie aussprechen? Weil Jon Bon Jovi einen Supportsong aufnimmt? Weiß man nicht. Hält aber beide Kandidat*innen nicht davon ab, diese Endorsements von Musiker*innen, Schauspieler*innen, Comedians und Influencer*innen zu sammeln, wo es geht.

Ich habe in den vergangenen Monaten auch immer wieder über Fankultur geschrieben, ob es nun um den ganzen Diskurs um #MusicMeToo ging, um den Tod von Liam Payne, um Chappell Roan und ihre Bitte, sie doch abseits der Bühne bitte, bitte in Ruhe zu lassen, oder um den Nahostkonflikt und wie wir mit ihm diskursiv umgehen wie mit einem Fußballspiel. Fan-Verhalten ist längst im politischen Diskurs angekommen – nicht nur, weil in den USA einer der beiden Kandidat*innen seit den 70er-Jahren eine feste popkulturelle Größe ist und in die Wohnzimmer der USA und der Welt hineingebeamt wurde, ob mit seiner eigenen Fernsehsendung „The Apprentice“ oder auch mit seinen Gastauftritten wie everyone’s Lieblingsweihnachtsfilm „Kevin – Allein in New York“.

Davon können Lindner, Habeck, Scholz und Merz nur träumen. Aber auch wenn uns noch eine Figur wie Trump fehlt, sind wir auch nicht so weit entfernt: Die AfD hat im Gegensatz zu allen anderen Parteien ihre Tiktok-Performance perfektioniert und mit Maximilian Krah ihren rechtsaußen-außen Influencer ins Europaparlament befördert, Heino of all people meldet sich zu Wort und fordert krude einen Trump für Deutschland und in den letzten Tagen liefert der Finanzminister mit einem seltsamen, theatralisch an die Öffentlichkeit durchgestochenen sogenannten „Wirtschatspapier“ eine Seifenoper direkt aus dem Regierungsviertel, die auch noch alle mitspielen. Die Politiker*innen, die Hauptstadtpresse, aber auch die FDP-Fanboys und ihre Gegener*innen auf der Plattform formerly known as Twitter. Anstatt dass wir alle mal einhalten und sagen: Hey, so läuft Politik eigentlich nicht. Und hey, warum fordert Heino einen ultraautoritären Politiker für Deutschland? Wie war das nochmal mit der schwarzbraunen Haselnuss?!

Politik ist längst Pop, das ist kein Geheimnis. Und auf der einen Seite ist das ja auch gut: Mit brainy Diskurs allein kriegt man die Leute nicht an die Urne. Aber Performance und Emotionalisierung sind ein slippery slope, der von Aktivierung schnell zu Populismus und vom Populismus schnell in ganz düstere Zeiten führen kann. Trennen sind Pop und Politik sowieso nicht und waren es auch noch nie. Aber es würde schon helfen, sich ihr Verhältnis bewusst zu machen – und die Macht, die es mit sich bringt.