Steckling Kreuzberg: Lasst uns Indoor-Gärtnern!
Das Berliner Pflanzen-Start-up Infarm arbeitet an der grünen Revolution. Wenn der Plan aufgeht, könnte schon bald jeder seine eigenen Salat anbauen – und zwar im Keller.
Was soll das sein? Das Set eines irren Science-Fiction-Schockers? Die am schlechtesten versteckte Hanfplantage der Welt?
Durch die großen Fenster fällt grelles, weißes Licht. Dahinter liegen von Plastiktrennwänden unterteilte Räume. An einem Metallgitter an der Wand hängen Gummistiefel und schuhkartongroße Plastikboxen, aus denen Pflanzen wuchern. Was aussieht wie ein Labor, ist das Hauptquartier eines kleinen Berliner Gewächshaus-Herstellers: Infarm. Das Start-up will aus jedem Bad, jeder Küche und jedem Keller ein Anbaugebiet machen. „Unser Ziel ist es, die Essensindustrie zu dezentralisieren“, sagt die Infarm-Mitarbeiterin Shani Leiderman. „Lokal angebautes Gemüse schmeckt einfach besser, weil es nicht so früh geerntet werden muss und es ist auch umweltverträglicher, weil die Transportwege kürzer sind.“
Um zu beweisen, dass man weder Erde noch Sonne braucht, um Salat und Kräuter wachsen zu lassen, haben sich die Infarm-Gründer Guy und Erez Galonska als Standort einen düsteren Berliner Hinterhof ausgesucht. Hier wollen sie Karotten, Lauch, Amaranth, Rucola und Thai-Basilikum anbauen. Bald sollen auch Salatköpfe dazukommen und eines Tages vielleicht sogar Reis und Soja. Der Trick: ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das mit 90 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Landwirtschaft auskommt. Außerdem Kokosfasern und Hanfmatten als Träger, Agar-Agar-Gelee als Nährstoff und vor allen Dingen hochmoderne LED-Lampen aus Finnland.
Rein ins Grüne
Auch in anderen Städten wird drinnen gepflanzt
2011 nahm das kanadische Unternehmen in Montreal sein erstes Gewächshaus in Betrieb – auf dem Dach eines Bürogebäudes. Dort bauen die Kanadier mit einem Hydrokultur-System Tomaten, Gurken und Paprika an. Bis zu 750 kg werden dort täglich geerntet.
In den zwei Gewächshäusern in Brooklyn wachsen jährlich bis zu 272 000 kg Grünzeug. Praktisch: Eines der Gewächshäuser steht auf dem Dach eines Bio-Supermarktes, der Teile der Ernte verkauft.
Bis 2006 wurde in der Backsteinfabrik in Chicago Schweinefleisch abgepackt. Jetzt beherbergt The Plant nicht nur mehrere kleine Indoor-Farmen, sondern auch einen Marktbereich, um die Ernte zu verkaufen.
In einem Hangar auf dem Gelände der Universität von ‚s-Hertogenbosch in den Niederlanden wachsen unter sterilen Bedingungen Erbsen neben Bananen. Möglich macht dies ein ausgeklügeltes Pflanzsystem. Dank diesem könnte ein Gebäude mit 100 Quadratmetern den Tagesbedarf an Obst und Gemüse von 140 000 Menschen decken, so die Forscher.
Zero Carbon Foods
In einem ehemaligen Luftschutzbunker 33 Meter unter London bauen zwei Unternehmer auf 10 000 Quadratmetern Pflanzen wie Mini-Rosenkohl und Sauerampfer an. Verkauft wird die Ernte in der Nachbarschaft.
Wie Infarm entstand, wo die ersten Indoor-Gewächshäuser zu finden sind und wie es mit dem eigenen Beet im heimischen Wohnzimmer klappt, lest Ihr in der aktuellen Ausgabe von me.URBAN.