The Smashing Pumpkins
AGHORI MHORI MEI
Martha’s Music/Thirty Tigers/Membran (VÖ: 2.8.)
Zurück auf Zero: Die größte Überraschung am neuen Album der Alternative Rock-Titanen der 90er ist nicht seine spontane Übernacht-Veröffentlichung, sondern dass, es… gut ist. Ja, wirklich!
Ihnen sind Albumtitel wie OGILALA, CYR und ATUM nur so von der Zunge gerollt? Dann dürften Sie Ihre Freude an William Patrick Corgans nächster Challenge haben: AGHORI MORI MEI! Im üblichen dezenten Beschwerdeton sagte der Oberkürbis neulich: „Ich weiß, dass das eins dieser Alben sein wird, bei denen mich jeder fragen wird, wie man es ausspricht“. No shit, Billy? Wobei: „jeder“ wird dich wohl auch nicht fragen – wie hoch hat’s deine letzte Platte noch mal in den US-Charts geschafft? Platz 111?
Bei den Smashing Pumpkins verhält es sich wie bei Coldplay: Beide kaschieren mit bedeutungshubernden Namen wie MYLO XYLOTO oder albernen Schreibweisen von Songtiteln wie „Wyttch“ und „Tyger, Tyger“ (zu viel Slade gehört, besser: gelesen? „Billee, Weer All Crazee Now“?) oder „feelslikeimfallinginlove“ (bitte nach dem heutigen Unterricht noch etwas bei der Englisch-Lehrkraft bleiben, Chris) ihre zunehmend irrelevanten Alben. Und wo Chris Martin seine gesichtslose Band in regenbogenfarbenen Konfettischauern versteckt, malt sich Corgan kinderkrikelkrakelige Symbole ins Antlitz. Oder, in sachter Abwandlung von THE DARK SIDE OF THE MOON, statt eines Dreiecks halt einen Kreis inmitten Geraden aufs Cover.
Entgegen all progressiver Bestrebungen verspricht er inhaltlich aber eine Rückkehr: „Es ist eine Rock- und Gitarrenplatte der Oldschool“, sagt er „und die Oldschool-Fans werden ausnahmsweise glücklich sein“. Dabei ist eben schwer vorstellbar, dass er nach grob gerechnet zehn ungeliebten bis ignorierten Platten die Befürworter seiner ersten drei, fraglos fantastischen Alben überhaupt noch mal erreichen wird.
AmazonWas – und somit genug der Häme – schade wäre. Ja, eigentlich tragisch. Denn LIRUM LARUM LÖ…, nein – wie heißt’s noch mal? – AGHORI MHORI MEI ist gut, oft genug sogar sehr gut! Wichtigtuerische Songnamen wie „Goeth The Fall“, „Sighommi“ und „Sicarus“ nimmt man zwar weiterhin achselzuckend zur Kenntnis, doch dahinter verstecken sich Nummern, die die Arme nach oben schnellen lassen. Nach drei Riffmonstern von GISH-Dimensionen, die Corgans Liebe zum und Verständnis von Heavy Metal mit – zur Abwechslung geschmackvoll ausgewählter – Facepaint dick unterstreichen, setzt die nervöse Grundspannung des sinfonischen „Pentecost“ die Mondfahrt von „Tonight, Tonight“ fort. Vorbei die inflationären Synthie-Pop-Experimente (bei allem Respekt für Corgans Veränderungswillen, der seine Band schließlich zu einer Art Queen der 90er gemacht hat) und der deplatziert wirkenden Chorgesänge der jüngeren Vergangenheit. AHUGA HAGA… äh, Sie wissen schon, nutzt seine Stärken voll aus, ist ein stringent aufgebautes Album.
Einer MACHINA-artigen Ballade wie „Who Goes There“ folgt eine Stadionhymne wie „999“ bevor die Platte mit dem, wie sein namensgebender oberbayrischer Markt, beschaulichen „Murnau“ endet – ein Grenzgänger nahe am Kitsch, aber in diesen Gefilden kennt Corgan sich ja ebenfalls gut aus. War man nach den überragenden Best-of-Shows der „The World Is A Vampire“-Tour noch an der Frage verzweifelt, warum sein Stern nur so früh verglühen musste, zerstreut der 57-Jährige diese Zweifel in einem der überraschendsten Moves seiner Karriere. Ohne großen PR-Vorlauf, ohne Vorab-Single war dieses Album am 2. August 2024 auf einmal in der Welt. Infinitely sad nur, dass niemand ihm Gehör schenken wird.