Slash live in Berlin: Virtuosität auf einem unfassbaren Level (Fotos + Review)


Am 15. April trat Slash live in der Berliner Uber Eats Music Hall auf. Wir waren dabei.

Der Rolling Stone wählte ihn einst auf Platz 65 der weltbesten Gitarristen, mit Guns N’Roses hat er in den 90ern Hardrock-Geschichte geschrieben – nun kehrte Ausnahmegitarrist Slash mit Myles Kennedy and the Conspirators auf seiner „The River is rising“ Tour zurück nach Deutschland. Wir waren bei der Show am 15. April in der Berliner dabei.

Vier gewinnt

Vier Konzerte gönnt Slash seinen deutschen Fans im Frühling 2024. Das vorletzte steigt in Berlin, in der einstigen Verti  – jetzt Uber Eats – Music Hall, am Uber Platz. Weil Bushido gleichzeitig in der Arena nebenan spielt, zeichnet sich auf dem Gelände ein diverses Fan-Bild aus Lederkutten und Baggy Pants, das sich nach kurzer Orientierung jedoch schnell trennt. Vor allem die große Polizeipräsenz weist den Weg zum umstrittenen Rapper. Musikalisch könnten beide Acts nicht weiter voneinander entfernt sein und bei Slash soll es ein Abend im Zeichen der Stromgitarre werden. Wolfgang Van Halen, der Spross des berühmten und leider bereits verstorbenen Eddie Van Halen, vervollständigt mit seiner Band Mammoth WVH als Support das Line-up.

Duff McKagan überlebte Horror-Pilztrip – dank Iggy Pop

Das insgesamt fünfte Soloalbum von Slash trägt den kurzen Titel 4 und ist mittlerweile schon über zwei Jahre alt. Daher ist die Setlist gespickt mit 22 Songs quer durch Slashs Karriere mit und ohne seine Mitstreiter, von neueren Hits wie „Whatever Gets You By“ bis hin zum Guns-N’-Roses-Cover „Don’t Damn Me“. Das ausgewählte Fremdmaterial kann sich sehen lassen: Sowohl Elton Johns „Rocket Man“ findet ins Set, als auch der Lenny Kravitz Evergreen „Always On The Run“, für den Slash einst die Musik schrieb. Dabei hat die Supergroup auf ihren vier gemeinsam veröffentlichten Alben einen veritablen Backkatalog, der selbstredend den Großteil des zweistündigen Konzerts ausmacht.

Bassist Todd Kerns sticht hervor

Kurz vor 21 Uhr beginnt das Spektakel und energetisch entern Slash und seine Band die Bühne. Myles Kennedy ganz cool in schwarzer Lederjacke, Todd Kerns trägt seinen Spitznamen „Dammit“ auf seinem Bassgurt, Gitarrist Frank Sidoris hat die Jeansjacke, die er noch beim Gig mit Mammoth WVH trug, ebenfalls mit einer Lederjacke getauscht. Nur Drummer Brent Fitz und Slash tragen lässig helle T-Shirts – das des Meisters ist ein Pink-Floyd-Shirt in leuchtendem Orange.

Die Gruppe gibt sofort Vollgas und stimmt „The River Is Rising“ an. Bereits ab den ersten Takten merkt das Publikum, dass dies ein famoser Abend wird. Mit seiner offenen Art gewinnt Kennedy das Publikum schnell für sich, während sich Slash, lässig wie eh und je, auf seine Kernkompetenz und die Les Paul konzentriert.

11 Fakten über die Foo Fighters

Am Mikrofon unterstützt wird Alter-Bridge-Frontmann Myles Kennedy von Bassist Todd Kerns. Der Gesang des Kanadiers, der durch Bands wie Age of Electric oder Static in Stereo schon lange eine große Nummer in seinem Heimatland ist, steht dem Kennedys in Nichts nach. Im Gegenteil: Kerns Leadvocals bei „Bad Apples“(zum ersten Mal live in Berlin), dem Kravitz‘ Cover „Always On The Run“ und „Doctor Alibi“ zeigen deutlich, dass er eigentlich der versiertere Sänger ist. In dieser Kombo maßlos unterschätzt, ist Kerns doch das treibende Element auf der Bühne. Er post, rennt umher, erlaubt sich und dem Publikum keinen schwachen Moment und ist – neben Slash – die beste musikalische Komponente der Band.

Gitarrensoli von einem anderen Stern

Leadsänger Myles Kennedy kommt die gesangliche Unterstützung gelegen, da er noch mit den Ausläufern eines Infekts zu kämpfen hat. Anmerken würde man es ihm kaum – zu gut ist seine Performance trotz des Handicaps. Zusammen mit Drummer Fitz und Gitarrist Sidoris explodiert die Energie in der Uber Eats Music Hall und rauscht wie ein Rock n Roll Rollercoaster über die Fans hinweg, angeführt von Mastermind Slash, an dem die Jahre scheinbar spurlos vorbeigegangen sind. Mit seinem Signature Zylinder, seiner Coolness und dem unnachahmlichen Gitarrenspiel zeigt er, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Jedes Solo sitzt und wird frenetisch bejubelt.

Eva Mendes beglückwünscht Ryan Gosling – und bittet ihn nach Hause

Die volle Bandbreite des Gitarristen zeigt sich im ganzen Set, aber besonders im Banger „Wicked Stone“, bei dem Slash auch das letzte Quäntchen aus seinem Instrument herausholt. Ungläubiges Kopfschütteln im Publikum, als Slash minutenlang shredded, um mittig das Tempo zu drosseln, bevor er es nochmal anzieht und unter tosendem Applaus das Stück und sein Solo zu Ende bringt. Nur am Schweiß, der aus den langen, lockigen Haaren auf die Bühne tropft, erkennt man, dass es auch dem Gott des Sechsaiters warm zu sein scheint. Nahtlos schließen sich „April Fool“ und „Fill My World“ an und Kennedy performt nonchalant mit seiner Rockröhre und hervorragender Intonation wieder aus der Bühnenmitte. Dabei hat er noch Zeit, mit dem Publikum zu interagieren. Slash ist nicht so vokal, was seiner Bühnenpräsenz aber keinen Abbruch tut.

It‘s legen – wait for it – dary

„You have been godsent tonight and helped me through this“, bedankt sich Myles Kennedy bei der textsicheren Crowd vor „World On Fire“ und sowohl Band als auch Publikum geben nochmal alles. Drummer Fitz beeindruckt mit einem ausgefeilten Schlagzeugsolo, untermalt von einer imposanten Lightshow. Es schließt sich die vorab erwähnte Elton-John-Nummer an, bevor das Konzert mit „Anastasia“ endet.

Mark Ronson: „I’m Just Ken“ hätte es fast nicht in „Barbie“ geschafft

Slash ist seit fast 40 Jahren eine Gallionsfigur im Rock ’n’ Roll und zusammen mit Myles Kennedy & The Conspirators bildet er eine der versiertesten Supergroups des Genres, wie in Berlin abermals bewiesen wird. Die Virtuosität seines Gitarrenspiels und sein unnachahmlicher Stil macht jedes seiner Konzerte zu einem Erlebnis, wenngleich auch ohne Überraschungen. Die erwartet die Menge aber auch nicht – denn wann hat man schon die Gelegenheit, so einer Legende bei der Arbeit zuzusehen? Auch die Setlist, die deutlich weniger Cover und Hits von Guns N’Roses umfasst als noch bei früheren Gigs, zeigt, dass sich Slash mit seinen Mitmusikern weitestgehend von seiner frühen Schaffensphase emanzipiert hat.