25 (größtenteils) sehr schöne Dinge für 2024: Ein Ausblick in Pop
Wer sich vor 2024 kein bisschen fürchtet, hat 2023 wohl verpennt. Linus Volkmann hält aber dagegen.
Hier kommen gleich 25 Platten, Acts, Bücher, Filme und Entwicklungen, auf die man sich (größtenteils) 2024 freuen kann.
01 Gossip
Beth Ditto hat Bodypositivity schon in den Nullerjahren ins Gespräch, ja sogar in die Charts, gebracht. Fast zwei Jahrzehnte später scheint die queere Vision ihrer Band Gossip in der Popkultur aufgegangen zu sein. 2024 werden die drei nun selbst wieder antreten. Ein Comeback, das literally damit beginnt, dass Beth Ditto rauchend und pinkelnd auf einem Klo sitzt, das „Trainspotting“-Vibes verströmt: „Crazy Again“ eben. Das Album REAL POWER soll im Frühjahr erscheinen.
02 Sleater-Kinney
Ebenfalls eine popfeministische Göttinnendämmerung. Eine neue Platte von Sleater-Kinney! Ich habe sie seinerzeit in London treffen können. Muss immer noch denken, wie unangenehm es Carrie Brownstein schien, Hände zu schütteln (Sorry, sister! Habe eigentlich selbst Kontaktneurose und wollte bloß höflich sein). Und dann war da ja noch der „Free Palestine“-Flashmob auf dem Konzert – an anderer Stelle habe ich darüber schon mal geschrieben. Na, auf jeden Fall: Memories of a lifetime. Und die Platte ist wirklich großartig. Sie heißt LITTLE ROPE und erscheint am 19 .Januar.
03 Christin Nichols
Mütter sperrt den Hamster ein: Die beliebte Rockröhre (Quelle: Hörzu) aus Berlin dreht in diesem Jahr richtig auf. Nach ihrem Solo-Debüt I’m FINE des Jahres 2022 wagt sich die singende Schauspielerin an das schwierige zweite Album. Wir hier beim Musikexpress (lies: t-online für Senior:innen mit Popbackground) sind bereits in Flammen. Liegt fast sicher nicht nur am Reflux (lies: Sodbrennen). Freitag 12. Januar erscheint ihre nächste Single – und hier tobt sie mit Julian Knoth von u.a. Die Nerven durchs gruselige Unterholz.
04 Timon Karl Kaleyta
Er hat die schönsten Hände der hiesigen Literaturszene und nun erscheint endlich der zweite Roman des „Jerks“-Autoren und Susanne-Blech-Sängers Timon Karl Kaleyta. Das Buch heißt „Heilung“. Am 13. Februar die Live-Premiere im Pfefferberg-Theater zu Berlin mit dem allzu gut gekleideten Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt.
05 Ilona Hartmann
Vor drei Jahren führte ich mit der Twitter-Legende Ilona Hartmann ein Interview anlässlich ihres Debütromans „Land in Sicht“. Letzteres handelte über einen verlorenen Vater und eine Schiffsreise. Der dazugehörige Artikel wurde sogar in dem Jokes-Podcast von Till Reiners diskutiert. Allerdings nicht ob meiner wertigen Skills bei der Gesprächsführung, sondern weil er einen Tippfehler in der Überschrift (!) hat. Peinlo! Findet ihn selbst:
Ilona Hartmann jedenfalls hat die Zeit seit dem Müllereimer genutzt und wurde die vergangenen Jahre auch noch eine Comedy-Autorinnen-Legenden. Außerdem gab es dieses starke Diffus-Interview von ihr mit Tocotronic zu „Nie wieder Krieg“.
Am ersten Februar erscheint ihr zweites Buch, es trägt den Titel „klarkommen“.
06 Titanic
Im Zuge der Titanic-Rettungsaktion letztes Jahr habe ich nun das Abo von den linksversifften Deutschlandhasser-Früchtchen aus Frankfurt-Bockenheim am Hals. Kann ich nur empfehlen. Das aktuelle Cover scheint mir auch sehr passend für die amtierende Streikwoche gerade. Alle Macht der Titanic und der GdL!
07 Tubbe
Kein Geheimnis der Musikwelt: Niemand veröffentlicht Alben im Dezember. Außer natürlich man möchte, dass das eigene Werk im Weihnachts-Best-Of-Geschäft untergeht und vom Handel garantiert nicht mehr „in die Läden“ gestellt wird. Die Berliner Electro-Popsensation Tubbe hat sich mit dem Comeback-Album BANKROTT IN UTOPIA mutwillig in diesen Jingle-Bells-Säure-Eimer geworfen. Auch schon wieder Respekt vor so viel Irrsinn! Hören wir das tolle Stück „Erwachsen“ dann eben jetzt – und holen Tubbe 2024 nach.
08 LIZ
Mit ihren hyperaggressiven und poetischen Texten gibt uns die gebürtige Frankfurterin und Wahlberlinerin schon seit einiger Zeit schön Faust. Zu ihrem neuen Album AMY WINEHOUZE traf ich sie bereits letztes Jahr – der Artikel erschien, das Album allerdings wurde ins Jahr 2024 verschoben. Prinzip Lustaufschub, sage ich da mal. Denn der 16. Februar kommt bestimmt.
09 Tocotronic
Unsere vier Enten der Apokalypse reiten möglicherweise wieder. Man hört (lies: hoffentlich leake ich hier nicht brisante Business-Insider, die an der Börse Ausschläge produzieren wie Crypto) … also man hört, es sollte wie die letzten Jahre eine neue Platte Ende Januar veröffentlicht werden. Doch aus organisatorischen Gründen (lies: Illuminaten) funktioniere das diesmal nicht. Dafür sei im Sommer 2024 ein neues Album möglich. Quelle: Wunschdenken und Tocotronic forever!
10 Future Islands
Den Hit „King Of Sweden“ aus dem neuen Album haben sie bereits im Jahr 2022 (!) veröffentlicht. Am 26. Januar 2024 erscheint nun endlich die Platte PEOPLE WHO AREN’T ANYMORE auf dem Label 4AD. Guckt diesen Clip, Vorfreude-Booster-Impfung, schwöre.
11 Ein Film mit Voodoo Jürgens
Wer die Clips des abgehangenen Ö-Crooners Voodoo Jürgens kennt, weiß auch um dessen cineastische Aura. Derer hat sich nun der Regisseur Adrian Goiginger angenommen und einen Film um einen prekären Musiker drum herum gebaut. Voodoo Jürgens, beziehungsweise David Öllerer, bestreitet dabei auch einen Großteil des Soundtracks. Der Film startet Anfang Februar und wird in Deutschland in diversen Programmkinos zu sehen sein.
12 Rage Against The Machine
Hier gilt (wie auch sonst), was Elisa sagt:
13 Rammstein
So, jetzt kommen wir mal zum düsteren Block dieser Liste … Denn es dürfte natürlich nicht alles schön im Musikbetrieb des Jahres 2024 werden. Die internationale Penisgruppe Rammstein beispielsweise quittiert die Offenlegungen aus dem letzten Jahr damit, den Laden nicht zu schließen, sondern zieht noch mal so richtig blank: Große Tournee im Mai und Juni 2024! Die mistverstandenen (das Wort soll so) Männer wollen sich nicht verstecken! Jetzt erst recht! Örgs.
Diskussionen um Deutschlands smegma-ähnlichsten Live-Act mit Pyro-Erektion stehen diesen Sommer also erneut an.
14 Antisemitismus im Pop
Der komplexe Nahost-Konflikt sieht sich vornehmlich auch durch Social Media zu einem bipolaren Haltungs-Wettstreit runter (lies: dumm) gerechnet worden. Ein plakatives „Which side are you on?“, das bloß für selektive Empathie steht, ist entstanden. Bei dem die jüdische „Seite“ zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen scheint. Nimmt man nur mal die mannigfaltigen Petitionen besonders englischer Acts, sieht man, wie hier nicht die Hamas adressiert, sondern sich einseitig gegen das am 7. Oktober angegriffene Israel gerichtet wird. Die Zivilbevölkerung in Gaza benötigt aktuell Support – aber sicher keinen solchen, der nicht für zivile Hilfe steht, aber dafür bloß weltweit Antisemitismus aus seinen Löchern ruft.
Jedenfalls: Die Frage, wofür ein:e Künstler:in über die Musik hinaus steht, wird 2024 garantiert noch mehr für „Gesprächsstoff“ (lies: please kill me) stehen. Mir geht es jetzt schon so, dass ich emotional Schwierigkeiten habe, mich bei Acts mit lautstarker BDS-Beteilung noch wiederzufinden. Auf diese Entwicklung rund um Pop habe ich wirklich keine Lust, aber was will man machen? Sie ist Realität und sie wird dieses Jahr voll einschlagen.
15 Purple Hair Girl
Im Zuge der absurden Verdrehung, beziehungsweise Verwesungen, von Fakten war es letztes Jahr möglich, dass sogar Judenhasser und Massenmörder Osama Bin Laden von hippen TikTok-Influencer:innen mit Polit-„Bewusstsein“ trenden konnte. Tja, wie ratlos kann einen eigentlich Gegenwart machen? Denn dazu kommen queere und feministische Initiativen, die (mehr oder weniger verschleiert) die Hamas supporten. Also eine Organisation, die nicht wirklich im Ruch steht, feministische, queer oder wenigstens ally zu sein.
Schwer, dem ganzen wilden Wahn Informationen entgegenzuhalten, aber das dürfte eine der Aufgaben des Jahres 2024 sein. Exemplarisch empfohlen sei hier der unterhaltsame wie bittere Education-Kanal des schwulen Comedians Daniel Ryan-Spaulding: Free Purple Hair Girl.
16 Das Jahr der Anti-Nazi-Songs
Positiv formuliert: Es dürfte ein sehr gutes Jahr werden für Songs gegen rechts. Der Grund dafür allerdings mehr als beunruhigend: Der bevorstehende Rechtsruck bei den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Sowie der Wahl des Europaparlaments. Die aktuellen Enthüllungen um das Treiben der AfD machen dabei deutlich, nur mit knalliger Musik allein wird das nicht aufzuhalten sein.
17 KI
Andere Prognose: Der letztjährig eskalierte KI-Hype dürfte sich dieses Jahr auch konkret in Pop niederschlagen. Ob bei max-giesinger-esken Neo-Schlager-Dudes, die ohnehin schon komplett schematisch über Liebe texten oder brachiale Metal-Acts, die den Weg zu den x-ten krassen Lyrics über Blut, Kampf und Gedärm abkürzen wollen …
2024 wird das Jahr, in dem man unwissentlich Roboter-Texte mitsummt. Der feine Computer macht also jetzt in Kunst und der verarmte Künstler fährt für UberEats und Co ohne Sozialversicherung Essen aus? Was für eine Dystopie! Gleich mal bei ChatGPT einen aufrüttelnden Text darüber schreiben lassen …
18 Mina Richman
Nun endlich wieder zu Erfreulicherem. Kennt ihr schon Mina Richman? Eine Meme-Spezialistin, die in dem absoluten Pop-Highlight-Kurort Bad Salzuflen aufgewachsen ist und sich aber ebenso für die iranische Protestbewegung stark macht.
Im März erscheint ihr Debüt-Album bei Ladies&Ladys. Don’t miss!
19 Thala
Dreampop und Shoegaze von einer Künstlerin, die zwischen den kanarischen Inseln und Berlin irrlichtert. Von diesem Act wird geredet werden 2024.
20 Joost
Dieser nur halbironische Gabba-Flair, dieser niederländische Akzent und zuletzt noch der Durchbruch mit dem Ski-Aggu-Otto-Waalkes-Song „Friesenjunge“ … Also wenn Joost Klein für 2024 kein „artist to watch“ ist, ja, wer denn bitte dann? Der verhaltensauffällige YouTuber mit Rap-Karriere wird übrigens den niederländischen Beitrag zum ESC in Malmö in diesem Mai performen.
21 Disarstar
Für mich der stabilste Rapper in diesem ganzen Zirkus der vornehmlich tollwütigen Clown-Männer. Januar ’24 erscheint sein Album mit Jugglerz – und er ist auch der einzige, dem ich ein Frida-Gold-Feature nachsehe. Zum Glück aber nicht auf diesem Track hier:
22 Güner Künier
Riot Grrrl trifft Krautrock. Aktuell ist die von Izmir nach Flensburg gezogene Musikerin in Groningen zu Gast. Auf dem Showcase-Festival Eurosonic sieht man Newcomer:innen live, die in der Festival-Branche am heißesten gehandelt werden. Dass Güner dort performt, wundert nicht.
23 Bleachers
Der Producer von Taylor Swift hat Huey Lewis And The News gechannelt und das Ergebnis via dämonischer Beschwörungsformel aus den Achtzigern ins Jahr ’24 materialisiert. Klar, mit schwarzer Magie sollte man nicht experimentieren, aber ist das nicht mittlerweile auch schon egal? Das ganze Album am 08. März.
24 Ja, Panik
Die letzte Album von Ja, Panik ging ein bisschen unter, oder? Pandemie-Scheiß und überhaupt. Mit DON’T PLAY WITH THE RICH KIDS gibt es jetzt aber wieder „fett was auf die Ohren“, wie wir hier beim Stadtmagazin Hebebühne gern sagen. Ach nee, ist ja der Musikexpress, für den ich hier schreibe: Also … Die mittlerweile siebte Veröffentlichung des Andreas-Spechtl-lastigen Kollektivs flimmert zwischen Euphorie und Verzweiflung. Wenn das nicht eine der Platten des Jahres wird, muss die Ampel eingreifen.
25 Gwen Dolyn
Die älteren von euch werden sich – zumindest aus Erzählung der Eltern – noch an das Jahr 2023 erinnern. Ein Scharnierjahr zum Weltuntergang. Scheiße, aber hey, immerhin hatte es einen guten Soundtrack. Allem voran parkte das freche Chemnitzer Duo Tränen auf dem Hof und platzierte mit HAARE EINES HUNDES das Debüt-Album des Jahres.
2024 tritt Gwen von Tränen nun wieder solo in Erscheinung. Unter ihrem Alias Gwen Dolyn hat sie bereits Musik veröffentlicht, doch mit dem aktuellen Momentum im Rucksack möge die Kunde ihrer Popkunst dieses Jahr von allen Sendemasten strahlen. Demnächst erstmal ein neues Stück. Und das hier ist auch schon mal fantastisch. 2024 kann also – meinetwegen – loslegen.
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.