Ohne Technics-Plattenspieler wäre HipHop so nicht denkbar gewesen


Es gibt Produkte, Gadgets, Initiativen oder Ideen, die wir neben der Musik an sich besonders lieben. Hier stellen wir sie in loser Regelmäßigkeit vor. Heute geht es um ein pophistorisches Schwergewicht.

In der modernen Popkultur ist eine Marke nicht bloß eine Marke. In der modernen Popkultur ist jede Marke immer auch ein Versprechen. Es gibt allerdings nicht allzu viele Marken, die das Versprechen ihrer Werthaftigkeit so tief in der Geschichte der Musikkultur verankern können, wie die japanische Marke Technics.

Neben hochwertigen Soundanlagen, sind ihre Plattenspieler so etwas wie die prominentesten Markenbotschafter. Denn die Sache ist nun einmal die: Wer sich einen Technics-Plattenspieler kauft, kauft sich nicht einfach nur einen Technics-Plattenspieler. Wer sich einen Technics-Plattenspieler kauft, der kauft gleich auch immer ein Stück weit Popgeschichte. Jedes Gerät wiegt so viel mehr als das physische Gewicht, das er tatsächlich auf die Waage bringt. Es ist seine Historie, die ihn zu einem kulturellen Schwergewicht macht.

Kein HipHop, keine Clubkultur ohne Technics

Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem HipHop. Denn HipHop, wie wir ihn heute kennen, wäre in dieser Form wohl gar nicht möglich gewesen, wenn Technics im Jahr 1980 nicht den Technics 1200 MK2 auf den Markt gebracht hätte. Ein Plattenspieler, der eben so viel mehr als nur ein Plattenspieler war. Der neue 1200er arbeitete nicht, wie bei den meisten Geräten üblich, mit einem Riemen-, sondern mit einem Motorenantrieb. Zwölf im Kreis angeordnete Spulen stoßen den sie kreisförmig umschließenden Permanentmagneten an der Unterseite des Plattentellers ab. Man legte die Schallplatte auf den Slipmat – eine dünne Filzmatte – und der Motor drehte sich einfach weiter, wenn man die Platte mit leichtem Druck fixierte. Wenn man sie anstieß, dann war sie sofort wieder im richtigen Mix.

Legte man nun also zwei identische Platten auf, und hielt eine davon zurück, während man die zweite abspielte, war es möglich, über einen unendlichen Zeitraum einen Loop zu kreieren. Auf diese Weise entstand mit einer gewissen Fingerfertigkeit ein unendlicher Beat, über den gerappt werden konnte. Auch war es mit den „Wheels Of Steel“, wie man den Spieler liebevoll taufte, möglich Platten zu scratchen, sie bei laufendem Motor über die Nadel hin- und herzubewegen, ohne das Platte oder Spieler beschädigt wurden. Ein Stilmittel, was den Sound des HipHop für immer verändern sollte.

Mein 1210er und ich

Und dann wäre da auch die Sache mit der Clubkultur. Denn die Clubkultur, wie wir sie heute kennen, wäre in dieser Form wohl kaum möglich, wenn man den Technics 1200 MK2 und seine Möglichkeiten einen Loop zu kreieren, nicht auch dafür genutzt hätte, aus mehreren Platten Songs so ewig zu strecken, dass sie über die streng normierten Radiospielzeiten hinaus zu einem ewigen Mix wurden, der zu einem endlosen Tanz einlud, der das Momentum der Ekstase und somit den Siegeszug der Clubkultur überhaupt erst ermöglichte. Clubkultur bedeutete von diesem Moment an, dass ein Club keine Kultur haben konnte, wenn es keinen Technics-Plattenspieler am DJ-Set gab.

Plattenspieler als Teil der kulturellen Praxis – und pophistorisches Schwergewicht

Und dort liegt die besondere Bedeutung der Technics-Plattenspieler. Sie waren nicht bloß Abspielgeräte. Sie waren auch Werkzeuge. Ja, Instrumente. Sie waren nicht bloß Objekte, sondern wurden zu einem Teil der kulturellen Praxis. Nun kann man sagen, dass es ja vielleicht ganz nett sein mag, ein solches pophistorisches Schwergewicht als das pophistorische Schwergewicht (ein Technics 1200er MK2 wiegt übrigens robuste elf Kilogramm) zu kennen, aber Geschichte ist nun einmal Geschichte und die kann man vielleicht in ein Museum stellen oder aufschreiben und zwischen zwei Buchdeckel pressen, aber sie gehört ja nicht unbedingt in das heimische Wohnzimmer. Hier liegt die dritte Bedeutungsebene: Technics-Plattenspieler waren nicht bloß Abspielgeräte und Werkzeuge in einem, sie waren auch Designobjekte. Mit ihren klaren Linien bieten sie eine zeitlose Eleganz, die nicht nur als Nutz-, sondern auch als Betrachtungsobjekte eine gewisse Wertigkeit erlangen. Und weil Technics eine demokratische Marke ist, gibt es auch Geräte, die nicht nur kulturelles Gewicht haben, sondern auch halbwegs erschwinglich sind, wie etwa der SL-1500C, den man als einen High-Quality-Spieler für unter 800 Euro bekommen kann.

Was Ihr über die Rückkehr des Technics SL-1200 wissen müsst

Es heißt, dass die Technics-Plattenspieler für die Ewigkeit gebaut sind. Sie gelten als besonders leidensfähig. Manche sagen sogar, dass sie unkaputtbar wären. Tatsächlich, da schien es im Jahr 2010 kurz, als würde auch eine Ewigkeit einmal enden können: Denn Technics verkündete, die Produktion des klassischen 1200 MK2 einzustellen (er wurde seit den 1980er-Jahren baugleich produziert). Es war eine Reaktion auf eine neue Zeit, eine Zeit, in der ein DJ nicht mehr mit maßgefertigten Aluminiumkoffern, sondern bloß mit den handgepäckstauglichen USB-Sticks um die Welt reist und es längst Plattenspieler gab, die erlaubten, auch digitale Formate zu scratchen und zu mixen. Die Proteste waren allerdings so groß, dass man sich im Jahr 2016 dazu entschied, die „Wheels Of Steel“ wieder herzustellen. Die Faszination für die Marke und die Leidenschaft für das Objekt, die bleibt unzerstörbar.

In der modernen Popkultur ist eine Marke eben nicht bloß eine Marke.