Das vierte Soloalbum des Prog-Rock-Magiers aus Hemel Hempstead. Ein Seitenhieb auf die oberflächliche, schnelllebige Moderne.

Wir haben soziale Netzwerke, in denen wir mit Menschen kommunizieren, die wir als unsere Freunde bezeichnen, aber die wir de facto gar nicht kennen und die auch nicht Teil unseres Alltags sind. Weshalb diese Kontakte eine eingeschränkte Halbwertszeit und Bedeutung haben. Eben nicht vergleichbar mit dem besten Kumpel oder der Busenfreundin. Das ist der Aufhänger für den neuesten Alleingang des exzentrischen Mr.  Wilson, Kopf der seit 2010 pausierenden Prog-Rock-Institution Porcupine Tree: Eine attraktive, gut vernetzte Frau namens Joyce Vincent stirbt mit 38 und wird erst drei Jahre später in ihrer Wohnung entdeckt – weil sie keiner ihrer vielen Social-Media-Bekanntschaften wirklich vermisst hat.

Ein modernes Drama, das als Metapher dafür dient, was in der heutigen Zeit falsch läuft – aufgearbeitet in Form eines Konzeptalbums, das sich der Vereinsamung in der Masse widmet und wie ein Hörspiel anmutet. Mal atmosphärisch, düster, beklemmend, dann wieder leichtfüßig, euphorisch, exaltiert, und mit einem Fluss an Informationen und Eindrücken, der genauso vielschichtig und komplex ist wie der korrespondierende Klangparcours, der ständig variiert. Der nicht nur von Song zu Song wechselt, sondern auch innerhalb einer einzelnen Komposition. Der mit Electronica, Beats, Pianoklängen oder akustischen Gitarren beginnt, dann immer dichter und dynamischer wird und schließlich bricht, in eine ganz andere Richtung geht und wahlweise in Prog Rock, Westcoast-Sounds, Psychedelia oder Orchester-Pathos gipfelt. Wie bei den 12- bzw. 13-minütigen-Songmonstern „First Regret – 3 Years Older“ und „Ancestral“, in denen Wilson zur Höchstform aufläuft. Eben wenn er sich und seiner Vision so richtig Freilauf lassen kann. In Zeiten des grassierenden Aufmerksamkeitsdefizits ein mutiges, geradezu missionarisches Unterfangen.