Gotye
Like Drawing Blood
Es ist weder besonders fair, noch unbedingt richtig, samplewütige und Stilgrenzen ignorierende Solokünstler und Singer/Songwriter sofort als „den neuen/nächsten Beck“ zu bezeichnen. Nun, der in Belgien gebürtige, in Australien lebende Wouter De Backer aka Gotye wird wohl mit diesem Label leben müssen, auch wenn es ihm und seinem Debütalbum LIKE DRAWING BLOOD nicht gerecht wird. Denn im Gegensatz zum gerne schnell als Vergleich herbeigezerrten Chef-Eklektiker hier ist nichts von dessen manchmal versprühter, kunstfertig-bissigen Ironie oder jeglicher Cut-Up-Effekthascherei zu spüren. Bestes Beispiel dafür ist die Single „Heart’s A Mess“. Ein tiefmelancholischer Downbeat-Song, der „Day-O“ von Harry Belafonte nicht einfach sampelt, sondern Elemente des Calypso-Klassikers bis zu dessen Unkenntlichkeit extrem geschickt adaptiert.In der Kunst des stilvollen und atmosphärischen Ineinander- blendens von Samples aus Tropicalia, Dub, Tango, Weltmusik und Filmsoundtracks erinnert Gotyes Kunst mehr an DJ Shadow. Beim Spector-Bläser-Soul-Knaller „Learnalilgivinandlovin“ darf man auch an Jamie Lidell denken. Während der letztgenannte Song nach sofortigem, massivem Radio-Airplay schreit bzw. trötet (und in Australien bereits bekommen hat), verlangen die restlichen, gut abgehangenen Schlafzimmer-Symphonien etwas mehr Zeit. Wohlgemerkt: zum Eintauchen und Zuhören, nicht zum kritischen Sample-Sezieren. Denn damit kommt man Gotye genauso wenig näher wie mit Beck-Vergleichen.
Stefan Weber – 29.08.2008