Scarlett Johansson
Anywhere I Lay My Head
Eine Orgel, ein Bass, Hall. Kein Gesang. Bis „Town With No Cheer“ beginnt, und man das, was man hört, zuerst gar nicht fassen mag: die Stimme der Johansson in weiter Ferne, als wäre sie unwesentlich. Fast alle Songs fließen ineinander über, irgendwo bellt ein Hund, zirpen Grillen, fließt Wasser, singen Vögel, und es wird deutlich, welch großen Einfluss Produzent David Andrew Sitek auf diese Platte nimmt – der Mann, der TV On The Radio zu der großartigen Band macht, die sie ist, und den Liars deren Meisterwerk THEY WERE WRONG, SO WE DROWNED aus deren dunklen Herzen riss. Hier zerrt er die Essenz aus den Songs von Tom Waits, veredelt sie mit Hall, Rauschen, Kirchen- orgeln. Es geht hier darum, etwas außerhalb des Kontextes zu erschaffen, jenseits von Ursprung und Interpret, bei dem das, was sonst so oft im Vordergrund steht, nur ein Teil ist – ein von ihrem Namen unabhängiges Kunstwerk.Die Stimme von Scarlett Johansson ist dabei nur ein Teil der Musik und fügt sich so in ein großes Ganzes ein. Das funktioniert nicht immer (z.B. bei „I Don’t Want To Grow Up“, das nun wirklich zu viel 80s-Pop ist), aber bei „Falling Down“ und „No One Knows I’m Gone“, bei denen David Bowie im Background singt, haben die beiden New Yorker ins Schwarze getroffen. „Song For Jo“ ist das absolute Highlight der Platte: Johansson haucht den Text mit so viel Laszivität wie Melancholie, darüber legt sich Stück für Stück das Surren eines Verstärkers, eine Orgel, matte Handclaps, Hörner, und „I wish I was in New Orleans“, singt sie, nur unterlegt von einer Spieluhr, als würde sie sich nach Twin Peaks sehnen. Und so ist ANYWHERE I LAY MY HEAD mehr Angelo Badalamenti, LOVELESS, Nico und Azure Ray als Sinéad O‘Connor oder Kate Bush. Wir als Zuhörer sind dabei nur Beobachter einer jungen Frau, die den nächsten, logischen Schritt zu ihrer künstlerischen Identität macht. Und das schafft sie mit Bravour.
John Wohlmacher – 15.05.2008
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