The Fiery Furnaces

Widow City

Eigentlich hätte dies ein Aufsatz über Klassenbeste werden können, die nur das Beste für die Klasse im Sinn haben, die Phantasie und Witz zum Wohle der Allgemeinheit entfalten, kühne Typen, die vorfahren und uns mitziehen. Die Idee, Pop mit den Mitteln von Pop zu überwinden, ist an und für sich auch gut. Matthew und Eleanor Friedberger haben sich dieser Aufgabe über bislang fünf Longplayer mit Bravour gestellt, allein, es ist eine Aufgabe, an der nicht zu scheitern nicht möglich ist. Nicht zu vergessen aber auch: ein Dutzend Klasse-Songs, die sich aus Stilbrüchen speisten. Mit Album Nummer sechs hat sich grundsätzlich nichts geändert bei den Friedbergers, Eleanor singt, Matthew komponiert, und produziert, erstmalig bedient er ein Chamberlin, das Sample-Keyboard aus dem Vor-Sample- Zeitalter. Mit den Fiery Furnaces kann man von einem Moment zum nächsten in eine andere Record-Collection switchen, in eine neue (alte) Zeit, mit allem brechen, Rhythmus, Melodie, Sound. Mich erinnert das in seiner Kunstfertigkeit an den Avant-Pop von Henry Cow oder Art Bears, manchmal ist’s, als spielten King Crimson Kinderlieder hier, und wenn’s hart auf hart kommt, imitieren die Fiery Furnaces Emocore – 15 Sekunden lang. Wer sich in solch kurzen, ständig neu grundierten Aufmerksamkeitsspannen zu Hause fühlt, bitte.Im Zap-Land der Friedbergers (Geschwister, kein Ehepaar, kein Liebespaar, das war schnell klar im Vergleich zu den Whites) werden einem die Pop-Sequenzen nur so um die Ohren geworfen, mal klingt das, als machten sie Lieder für Erfrischungs-Getränke, dann wieder wie bleierne Kunst im sackartigen Wortgewand („More Automatic Husbands“, „My Egyptian Grammar“). Aber es besteht auch Anlass zum Jubel: „Duplexes Of The Dead“ beginnt, wie ein grandioser Song beginnen darf, mit einem simplen Keyboardmotiv, über das sich Eleanors Stimme ganz attraktiv schraubt, Bass und Schlagzeug setzen ein, die Sache nimmt Fahrt auf, dann schieben sie so ein (gelooptes?) Streicherensemble in den Song, als wollten sie „Strawberry Fields“ rechts überholen, keine zweieinhalb Minuten, das war’s. Große Klasse. Oder das extraknackige Trash-Pop- Piece „Japanese Slippers“, das den Hörer anspringt wie eine wilde Katze. Über größere Strecken aber verbreitet dieses Spiel mit viel auf engstem Songraum das Gegenteil von dem, was die Friedbergers einst intendierten: Langeweile. Klassenstreber haben’s schwer.

Frank Sawatzki – 20.10.2007

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