Offenherzige Antworten auf brennende Fragen :: Ata Tak/Bureau B/Indigo

Experimentierfreudiger Teenager, genialer Dilettant, früher lustiger Pop-Vogel: die ersten Taten des großen NDW-Überlebenden

Nie waren die Zeiten besser für das Homerecording, als sie es heute sind. Entsprechend viel wird dort draußen herumproduziert. Aber auch die späten 70er-/frühen 80er-Jahre waren nicht so schlecht für den Wohnstuben-Pop. Brauchbare Produktionsmittel waren verfüg-, soundtechnische Brillanz hingegen vernachlässigbar, Punk sei Dank. Vor solcher Kulisse, inspiriert von Pop-Avantgardisten wie Der Plan und unterwiesen von Holger Hiller (Palais Schaumburg), bastelte der hanseatische Pfarrerssohn Andreas Dorau schon mit 15 an eigenen Entwürfen. Als Projekt für die Schule nahm er gemeinsam mit einem improvisierten Schulmädchenchor den kreuznaiven Minimal-Schlager „Fred vom Jupiter“ auf, und der wurde tatsächlich zum Neue-Deutsche-Welle-Hit. Damit begannen für Dorau auch schon die Sorgen. Er wurde in NDW-Sippenhaft genommen, sein zweites Album wollte das Major-Label CBS veröffentlichen, doch es wurde zuerst immer wieder verschleppt und schließlich trotz aufwendigerer Produktion in lausiger Soundqualität herausgebracht. Dorau hatte danach erst einmal genug vom Musikbusiness. 30 Jahre später werden seine beiden ersten Alben jetzt wiederveröffentlicht: Blumen und Narzissen (1981) steht dabei in der Tradition legendär gewordener Amateuraufnahmen. Der Charme ist da die halbe Miete. Obwohl der junge Andreas wohl weitaus reflektierter war als die meisten seiner Altersgenossen und sein Bemühen um die so coole wie experimentelle Attitüde seiner Vorbilder deutlich zu hören ist, schlagen doch die Launen und Nöte eines Teenagers durch. Mit leiernder, traniger Stimme beträllert er in Proto-Synthiepop-Songs, halb ausgeführten Schlagern und eckigen Wave-Funk-Stücken die „Nordsee“, eine Katze mit Namen „Ernst“, die Traumberufe „Lokomotivführer“ und „Alter Maler“, das Leid des ernsten jungen Mannes, von den Mädchen nicht erhört zu werden. Denn die wollen Draufgänger. Die jungmädchenhafte Chöre der Marinas klingen da stellenweise fast wie ein höhnischer Kommentar. Der Nachfolger Die Doraus und die Marinas geben offenherzige Antworten auf brennende Fragen (1983) mit Stücken wie dem NDW-in-gut-Hit „Die Welt ist schlecht“, dem romantischen „Großer Bär – kleiner Bär“ und dem Superpunk-artigen Kinderlied „Feierabend“ zeigt, dass Andreas Dorau (an der Seite von Profis) durchaus in der Lage war, Popsongs auszuformulieren. Aber seine zweite Platte ist eben auch ein eindeutiges Produkt der Neuen Deutschen Welle: eine auf bunt, fröhlich und „fett“ im Sinne der 80er-Jahre produzierte Pop-Nummern-Revue – wenn auch eine, die schon den bewusstseinserweiterten Humor Andreas Doraus transportiert. Die Bonustracks dieser beiden Wiederveröffentlichungen umfassen unter anderem absurde Kleinode wie „Der lachende Papst“ (seine erste Single) und „Negermuskeln“ sowie das damals vom Label zensierte, weil durchaus schlüpfrige „Kleines Stubenmädchen“. Übrigens werden im Lauf der nächsten Monate weitere Schätze des Düsseldorfer Labels Ata Tak neu verlegt, u.a. von Der Plan, Pyrolator und D.A.F.