Lady who? Ein Dancepop-Album, als wäre seit Hard Candy nichts gewesen

Seit ein paar Tagen, kurz vor Veröffentlichung des zwölften Albums von Madonna, kann man auf der Homepage ihrer Plattenfirma Universal in einem Video die beiden Schriftsteller und Journalisten Moritz von Uslar und Benjamin von Stuckrad-Barre über MDNA palavern hören und sehen. Daran spiegelt sich die Verzweiflung des Labels, das den Intellektuellen-Talk in Auftrag gegeben hatte, ein Superstar-Album promoten zu müssen, für dessen Promotion aber weder der Superstar noch vor Veröffentlichung das Album selbst zur Verfügung stand – und darüber hinaus die Anstrengung, diesem für viele Jahre unangreifbaren Superstar auch heute noch eine gewisse kulturelle Relevanz zukommen zu lassen. Aber was tut Madonna, um sich diese Relevanz neu zu verdienen? Vermutlich das einzig Richtige: Sie veröffentlicht ein Album, das klingt, als wäre nichts gewesen. Als hätte ihr Lady Gaga auf ihrem eigenen und in umstürzlerischer Weise erweiterten Terrain nicht empfindliche Niederlagen beigebracht. Als wäre das Leben noch frisch, ihre Nacht ewig jung, und als hätte der Produzent William Orbit, der für den Sound des halben Albums verantwortlich ist, heutzutage tatsächlich noch irgendeine Bedeutung. Auch das Hinzuziehen von weiteren bereits bewährten Kräften wie Benny Benassi und Martin Solveig lässt nicht darauf schließen, dass Miss Ciccone den allerheißesten Dancescheiß abzuliefern gedachte. Innovationen waren von Madonna ohnehin noch nie zu erwarten. Wozu sollten die auch gut sein? Sie ist ein Popstar, ihre Musik muss funktionieren, d.h. in ihr werden Klischees und Sounds so zusammengesetzt, dass für das breite Publikum der Eindruck entsteht, ein modernes und bei aller Künstlichkeit dennoch sinnliches Produkt zu konsumieren. Diese Aufgabenstellung bewältigt MDNA überraschend gut. Will heißen: Man lässt sich gerne davon blenden, und ja, man möchte sich dazu bewegen. Der ausdrücklichen Danceplatte kommt es zugute, dass im aktuellen Neben- und Übereinander unzähliger Mikrotrends und -Revivals kein Mensch mehr einen Überblick darüber hat, was gerade als veraltet durch- oder nach Relaunch frisch herübergereicht wird. Die Frau weiß, warum sie hier im Zweifel dem komprimierten 1000-Filter-Hochleistungs-Sound den Vorzug gibt. Rekordverdächtige Single-Hits wird MDNA nicht abwerfen, der große Popsong fehlt, letztlich hat Madonna aber ihre Aufgabe mit Anstand gelöst. Vorausgesetzt, man kann die komplette Inhaltlosigkeit, in der die in der Selbstbeschreibung drei Dutzend Mal „Girl“ genannte nimmermüde Kunstfigur Madonna hier um sich selbst kreist, als das abtun, was es ist: ein Stilelement des Bubblegum-Pops. Sie singt: „Uh-la-la, you are my a superstar. Uh-la-la, that’s what you are.“ Und wen meint sie wohl?
Key Tracks: „I’m Addicted“, „I Don’t Give A“, „Masterpiece“