Außerirdische und Außenseiter in Ostfriesland :: Gegen die Welt

von Jan Brandt

Ein Debüt von 928 Seiten schafft es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises.

Mitten im Sommer setzt ein Schneegestöber im ostfriesischen Flachland ein und der Schüler Daniel Kuper findet sich halb nackt in einer Art Kornkreis in einem Maisfeld wieder. Er stammelt die Worte „Eisen, Schloss, Schild, Fahrrad, Feld, Lichtung, Mais“. Fernsehteams rücken an, suchen nach Spuren von Außerirdischen im Dorf Jericho; in einer brillant nachempfundenen Szene interviewt der „NDR Talkshow“-Moderator Wolf Schneider einen Ufologen zu Daniels Schicksal. Der Sohn des örtlichen Drogisten ist fortan nur noch „der Ufo-Junge“ und wird misstrauisch beäugt. Die traurige Geschichte von einem, der zum Außenseiter wird, erzählt Jan Brandt in seinem ersten Roman bis zu ihrem dramatischen Ende. Es ist eine Geschichte von Annäherung und Abstoßung, eine Familien- und Sozialgeschichte der Jugend in der deutschen Provinz der Achtziger. Genau in allen Details, vom Fußballer Schatzschneider bis zur Rateshow „Riskant!“, allgemeingültig in den Themen. Auf dem Foto im Umschlag präsentiert sich der 1974 geborene Brandt als ernster junger Mann mit seriöser Brille . So wie es sich für einen gehört, dessen Debüt auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis steht. Doch auf seiner Facebook-Seite sieht man ihn mit verspiegelten Gläsern und Metallica-T-Shirt. Sein Metal-Wissen zeigt sich im Roman in der überzeugenden Charakterisierung der Freunde von Daniel. Kurzzeitig bilden sie eine Band und einer von ihnen, Onno, bleibt als Schlagzeuger der Musik treu. Dass Onnos Mutter nach einem Artikel über Satanismus und Amokläufe alle seine Platten wegschließt, ist ein Wendepunkt in seiner Jugend. Aber genauso treffend wie die Metal-Nerds sind auch die Entwicklung des Einzelhandels auf dem Land, das Schützenfest, die Redaktion der Lokalzeitung und das Studentenleben in Münster in den Neunzigern beschrieben. 928 Seiten lang glaubt man, in Ostfriesland mitzuleben und mitzuleiden. Das ist es, was ein großer Roman schaffen kann. Felix Bayer

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