Björk :: Post
Es soll ja genug Leute geben, die mit elektronischer Musik so ihre Probleme haben. Die Argumente: Zuviel Computer-Gedöns, zuviel synthetische Konserven-Klänge, kurz – zuviel „„seelenlose“ Technik. Aber selbst eingefleischte Instrumental-Puristen mußten spätestens in diesem Jahr vor einem zierlichen Persönchen aus dem eisigen Island die Segel streichen: Björk Gudmundsdottir, ehemals Frontfrau der Sugarcubes, stellte bereits bei ihrem Solo-Erstling DEBUT (1993) unter Beweis, wie leidenschaftlich elektronische Musik tatsächlich sein kann. Mit dem ’95er Album POST, das als wohltemperierter Cocktail aus analogen und digitalen Elektro-Klängen und dem Spiel „“echter“ Instrumente daherkommt, setzte sie in Sachen ungezähmter Experimentierlust noch einen drauf:
Im POST-Soundlabor bringt Björk die unterschiedlichsten musikalischen Komponenten zur Reaktion, läßt an sich gegensätzliche Elemente zur Legierung verschmelzen und züchtet in der Retorte völlig neue Klang-Spezies. Da rollen grummelnde Industrial-Beats mit Volldampf übers Dark-Wave-Gleis (‚Army Of Me‘), da explodieren kindliche Tobsuchtsanfälle werden und Regisseur David Fincher den Zuschauer in ein mitten im sanften Swing-Ambiente (‚It’s Oh So Quiet‘) und sphärische Weltraumgeräusche untermalen indifferentes Ätherrauschen (‚Hyper Ballad‘). Da versuchen Orchester-Streicher relaxte Easy-Listening-Stimmung zu verbreiten während Urwaldtrommeln zum Regentanz rufen (‚Isobel‘), ein Faxgerät hält blubbernd Zwiesprache mit dem E-Piano und nebenbei knistert, schrammt und knarzt es im Song-Gebälk wie bei einem tausendmal abgespielten, kratzigen Vinyl-Liebling (‚Possibly Maybe‘). Der Drum-Computer verbreitet Dancefloor-Hektik zwischen stompigen Disco-Elementen, Conga-Drums und abgehobenen Bläsersätzen (‚I Miss You‘), die Harfe zirbelt zu Ambient-Gewaber (‚Cover Me‘) und das Windspiel klingelt in einer sanften Sound-Brise (‚Headphones‘).
Worte, wie sorgfältig auch immer ausgewählt, sind indes gänzlich ungeeignet, das Björk’sche Klang-Universum auch nur annähernd zu umreißen. Denn was hier nach musikalischem Chaos klingen mag, läuft de facto auf eine zum Teil vornehm sparsame Instrumentierung hinaus: Vor allem anderen erweist das Island-Wunder uns die Gnade dieser göttlichen Stimme, der von der Intonation zärtlich wispernder Wiegenlieder über wildes, entfesseltes Geschrei bis hin zum entrückten Gesang einer Jazz-Diva keine Nuance fremd ist. Um diese Stimme in den richtigen Rahmen zu setzen, rekrutierte Björk denn auch illustre Klangtüftler: Im Sound-Labor assistierten und werkelten nach den Vorstellungen der Zeremonienmeisterin unter anderem der Mo Wax-DJ Howie Bernstein, TripHop-Star Tricky und die Jazz-Ikone Eumir Deodato, für die Produktion zeichneten der Musiker und Songwriter Graham Massey und Soul II Soul-Mastermind Netlee Hooper verantwortlich. Was POST indes so einzigartig macht, ist die genreübergreifende Akzeptanz beim Publikum. Björk kümmert sich keinen Deut um Konventionen und schlägt mit ihren Songs Brücken über alle Gräben, die bislang zwischen verschiedenen musikalischen Präferenzen verliefen.
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