Dexys Midnight Runners :: Searching For The Young Soul Rebels (30th Anniversary Special Edition)
Das Punk-Soul-Wunder von 1980. Die Leiden des fanatischen Hipsters Kevin Rowland.
Dass die Kaiser Chiefs immer einen Dexys-Track auf ihre Mixtapes gepackt haben wollen, gehört zu den wenigen schönen Geschichten, mit denen sich Kevin Rowland und Band in den letzten Jahren in Erinnerung brachten. Der Einfluss von Dexys Midnight Runners auf den aktuellen Britpop ist überschaubar geblieben – im Gegensatz zu den Synthie-Pop-Blaupausen aus den Hitschmieden von Depeche Mode und Human League oder der jüngst in Boxset-Epik erzählten Story der Popper Orange Juice.
Wir gegen die Welt – das war das Original-Dexys-Gefühl von 1979/80, es entsprang dem unbedingten Willen, etwas mehr als nur irgendeine Band zu werden. Es speiste sich aus der Schönheit der Wut, der Kraft der Angst und dem Soul. Das passte für genau eine Spielzeit zusammen. Dann überkamen Kevin Rowland massive Selbstzweifel an der selbst auferlegten Askese und der puritanisch gefärbten Soul-Mission. Der Bandboss stellte Dexys 1982 auf Reset, schenkte der Band im keltischen Latzhosen-Soul ein zweites Leben und landete mit „Come On Eileen“ einen Mega-Erfolg, den Partygänger von damals noch heute für ein One-Hit-Wonder halten.
Dexys rekrutierten sich aus der Hipster-Szene Birminghams, sie verwiesen mit ihren Dockers und Wollmützen im Working-Class-Gang-Style in jedem Moment auf ihre Herkunft. Und sie investierten in einen Sound, der die Geister des Post-Punk endlich vertreiben sollte. Im Radiosuchlauf, der dem ersten Track des im Juli 1980 veröffentlichtem Debüts, „Burn It Down“, vorangestellt war, sind Deep Purple, die Sex Pistols und die Specials zu hören, dann geht Rowland mit Gebrüll voran: „For God’s Sake Burn It Down“. Das ist der Anpfiff zum Ansturm, der von den hymnischen, ins Stakkato drängenden Bläsern befeuert wird, die wie eine Stax-Band auf einer gefährlich hohen Portion Speed klingen. Von hier bis zum Überfinale „There, There, My Dear“ vergehen knapp 40 Minuten, in denen Rowland Weltschmerz und Seelenpein in ein nie vorher aufgezeichnetes Jaulen und Barmen verwandelt. Man muss das hören, wie er mit sich überschlagender Stimme in ein fanatisches literarisches Name-Dropping stürzt, angefixt vom Bläser-Sound des Jahrhunderts. Dazwischen konnte der Frontmann den begnadeten Fake-Crooner geben („I’m Just Looking“), in Fußballvereinsstärke dem B-Soul-Helden Geno Washington huldigen („Geno“) und im Hochtongebrabbel („Thankfully Not Living In Yorkshire It Doesn’t Apply“) übers Ziel schießen. Die elf Songs dieses Debüts, zum 30. Geburtstag um eine zweite CD mit Non-Album-Singles, B-Seiten und Radio-Sessions ergänzt, verleihen dem Außenseiter und leidenschaftlichen Kämpfer Sound und Bild, es ist der Soul Searcher.
Der Bandleader geißelte die Popmusik als eitel und oberflächlich, prahlte in einem Song, dass er seinen Körper strafe, bis er an seine Seele glaube. Was Rowland im Rausch der Aufnahme unterschlug: Dexys hatten eine außerordentlich eitle Platte gemacht, die sich das Prädikat „Meisterwerk“ verdiente, weil die Band den Soul der schwarzen Vorbilder mit dem radikalen Glauben des Punk in das verwandelt hatte, was wir bis heute Pop nennen. Diese Musik fällt auch 30 Jahre später mit einem atemberaubenden Wumms aus der Zeit.
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