Nick Garrie :: The Nightmare Of J.B. Stanislas – 40th Anniversary Deluxe Edition
Elefant Records/Alive
Bei Erstveröffentlichung übersehen und überhört: das Psychpop-Ereignis aus dem Jahr 1970
Legenden, die so legendär sind, dass kaum jemand sie kennt, sind uns suspekt. Die Backkataloge der Plattenfirmen sind angefüllt mit unbedeutenden, uninspirierten Wiederveröffentlichungen, die auf den Hunger des pathologischen Plattenjägers zielen, der sich von der Hoffnung nährt, etwas bislang Unentdecktes oder gemeinhin Vergessenes angeln zu können. Mit Nick Garrie liegt der Sammler allerdings sehr gut im Rennen. Die Zwei-CD-Digipack-Veröffentlichung, die das Madrider Elefant-Label dem britischen Psychpop-Wunderkind widmet, verdankt sich einer bemerkenswerten Geschichte. Nick Garrie, der einen größeren Teil seiner Jugend in Frankreich verbrachte, fand für seine in den späten Sechzigern geschriebenen Songs mit Eddie Vartan einen Produzenten, der ihm ein 56-köpfiges Orchester aufs Auge drückte. Nur der finale, seltsam jazzige, von Trompeten illuminierte Song „Evening“ soll ungefähr Garries Vorstellungen entsprochen haben. Den Rest des Albums, vom wunderbar in Country und Folk drehenden Titelsong bis hin zum Progpop-Drama „Wheel Of Fortune“ hätte Garrie gerne in die Tonne getreten, das exzessive Moment war das Werk des ambitionierten Produzenten. Das Paar entwickelte eine Art Chemie: Aus dem barocken Ansatz Vartans und dem spartanischen Spiel Garries, der mit Sonntagsstimme durch seine Songs geisterte, entwickelt das Album seine komplette Spannung. Glück war dieser Konstellation zuerst gar nicht beschieden, THE NIGHTMARE OF J.B. STANISLAS erschien im Jahr 1970 ohne jede Promotion und wurde ein Ladenhüter. Später wollen Sammler für das vergessene Stück bis zu 1200 Euro geboten haben. Nick-Drake-Vergleiche sind mir mindestens so suspekt wie Wiederveröffentlichungs-Werbekataloge. Aber wenn man den Song „Seashore“ auf der zweiten, ergänzenden CD hört, dann klingt das, als wäre Nick Drake für ein einziges Lied doch noch unter die Sonne der Cote d’Azur gekommen. Welche Entwicklung Nick Garrie als Sänger und Songwriter in kurzer Zeit hinlegte, belegen seine erste Single und die frühen Demos (1968) auf CD 2. Das ist noch weitgehend unbefleckter, munter plinkernder Hippie-Pop. Das Album erschien später in den irisierenden Traumfarben, die man aus den sechziger Jahren noch ins nächste Jahrzehnt hatte mitnehmen können. Ein letztes Mal, dann stahl die Zeit die Geister des Surrealismus.
www.myspace.com/nickgarrie
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