Cash :: von Richard Price (übersetzt von Miriam Mandelkow)
Ein brillant beobachteter Gesellschaftsroman, verkleidet als spannender New-York-Krimi vom Teilzeit-Drehbuchautor von „The Wire“.
„Bei, The Wire‘, einer Crime-Serie, die ein Gesellschaftspanorama der Stadt Baltimore entwirft, entsteht eine ganz neue Form realistischen Erzählens“, schwärmte der Schriftsteller Ulrich Peltzer kürzlich in der FAZ. Was „The Wire“ unter anderem so großartig macht, ist, dass dieses Erzählen nicht von einer einzelnen Identifikationsfigur getragen wird, sondern ständig die Perspektive wechselt. Von den Straßeneckendealern zum Bürgermeister, von der Mordkommission zum Lehrerzimmer. Richard Price, Jahrgang 1949, hat viele Drehbücher geschrieben. Etwa „Die Farbe des Geldes“ oder das Musikvideo „Bad“ von Michael Jackson und fünf Folgen von „The Wire“ wurden nach seinen Vorlagen gedreht. In „Cash“, seinem achten Roman, hat der gebürtige New Yorker den multiperspektivischen Trick von „The Wire“ auf einen Kriminalroman angewendet.
Spät in der Nacht geschieht in der Lower East Side ein Überfall. Ein Opfer ist Eric Cash, Oberkellner in einem angesagten Café, der sofort seine Brieftasche aushändigt. Er war auf einer Kneipentour unterwegs mit einem neuen Barmann, Ike Marcus, und dessen Kumpel Steven Boulware. Letzterer ist so betrunken, dass er getragen werden muss – beim Überfall fällt er bewusstlos auf den Boden. Ike aber sagt zu dem Täter: „Heute nicht, mein Freund“ – und bekommt deswegen eine tödliche Kugel ab. Weil Cash sich in Widersprüche verwickelt, wird er vom Zeugen zum Verdächtigen und in ein langes Verhör verwickelt. Es folgen grandiose achtzig Seiten, in denen sich Richard Price als großer Kenner von Methoden und Jargon der Polizei erweist.
Die Schilderung der Ermittlungen bildet den Rahmen, in dem ein Szenario der Lower East Side im Jahre 2003 entsteht: Generationen von jüdischen, asiatischen, lateinamerikanischen Zuwanderern mischen sich mit studentischen und künstlerischen Gentrifizierern und den Armen aus den Sozialwohnsiedlungen – dazwischen die Presse und die Polizei mit einer „Lebensqualität“-Sondereinheit. Richard Price macht in tollen Dialogen dieses Stimmengewirr greifbar, führt den Leser mit lakonisch geschilderten Szenen tief in den Wandel des Stadtteils hinein und lässt ihn durch genau porträtierte Figuren mit den Menschen, die dort leben müssen, mitfühlen. Und spannend ist das Buch obendrein. ( S. Fischer, 528 Seiten, 19,95 Euro)
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