Jahcoozi
Bareloot Wanderer BPitch Control/Rough Trade
4,5
Clubmusik für den heimischen Herd: Jahcoozi sind die besseren Massive Attack. Irgendwann findet jeder zurück zu Mama. Den Weg heim zu Mutter Dub sind nun auch Jahcoozi gegangen. Der Krawall, der den verwegenen Stilmix des Berliner Trios bis eben noch begleitete, ist urplötzlich verschwunden. Kein böse grummelnder Grime mehr und keine Rockriffs, kaum noch Hip-Hop und minimale Ausflüge in die Weltmusik, kein postmodernes Patchwork, sondern eine klassische Linie: Geradezu spartanisch wirkt „Barefoot Wanderer“, das dritte Album von Sängerin Sasha Perera, Bass-Konstrukteur Oren Gerlitz und Beat-Bauer Robot Koch. Stattdessen ist die bpm-Zahl heruntergeschraubt und das große Staunen ausgebrochen, was es dank der Entschleunigung alles zu entdecken gibt. Nämlich: Schaukelnden Reggae, zu dem man ganz vorsichtig tanzen kann, schubbernde Rhythmen aus der EchoKammer des Horrors, sehnsüchtige Soul-Stimmen und klaustrophobische Stimmungen für den modernen Stadtmenschen. So radikal der Stilwechsel, so gelungen ist er auch: Das aktuelle Massive-Attack-Album mag ein geglücktes Comeback sein, aber Jahcoozi gelingt es, diesen mittlerweile eigentlich angestaubten Ansatz, erwachsene Club-Musik für Zuhause, tatsächlich noch einmal aufregend klingen zu lassen.
No.3
Secretly Canadian/Cargo
4
Stille Tage in Göteborg. Oder: Neues aus Soft Pop und R’n’B (balearisch). Was an dieser Musik wirklich hübsch ist: Sie will nie richtig zupacken, sie zieht nahezu unbeteiligt am Ohr des geneigten Hörers vorbeiunderzeugtdochinnullkommanichts ein großes Wohlgefühl. In der Distanz liegt die Stärke dieser schillernden Softpopsongs und balearischen R’n’B-Mutationen, im Andeuten von Einflüssen (Ambient, Saint Etienne), im Handauflegen und, ja, Schweigen. Und mit jedem Track zieht es einen ein Stück weiter in die leicht verschwommene Soundwelt dieser Schweden (Göteborg, sagt man). Genauso gut könnte es sich bei JJ um einen hispanoiden Pro-Tools-Alleinunterhalter handeln, der sich seine Lieblingsband im Rechner aufgestellt hat: einen Pianisten, der es sanft perlen lässt, einen meisterhaften Zupfhansel, einen Arrangeur für die Streicher und eine Sängerin, die bis gestern noch bei Beach House aktiv war. Jemand hat den JJ-Sound als „Enya covering Lil Wayne at Lilith Fair 2015“ beschrieben. Das ist nicht schlecht, es muss auch nicht abschrecken. Das ätherische Element ist über die ganze Strecke präsent, aber im neuen Kontext zu ertragen. Und alles geht vorbei. Nachher weiß man nicht einmal mehr, was man da gehört hat: Waren das jetzt Steel Drums oder Streicher, die wie Steel Drums gespielt wurden?
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