Liebestänze

Techno – der Sound der Wiedervereinigung, der neuen Freiheit, das Lebenselexier einer neuen Tanzsekte. Es geht um die reine Liebe, das einzigartige Gebot der „One World One Future“-Familie aus dem Raveland. Ihre Haupstadt ist Berlin, Ausflugsziele befinden sich in Dortmund, Frankfurt, Ibiza. Geografische Grenzen werden „weggetanzt“, vielversprechende Berufswege geopfert, gesunde Körper zerstört. Wer nicht mehr kann, nimmt Drogen. Bloß nicht rausfallen aus dem Raster der Liebe und dem ewigen Rausch. Wie im Sog gehst du mit, mit allen, bist aber trotzdem der einsamste Mensch unter den anderen Partykriegern. In jedem Hinterhof, jedem Winkel eines tiefen, feuchten Kellerlabyrinths kann die nächste Party sein, die nächste Liebe – für ein paar Stunden oder Tage.

Permanente Minikonferenzen: Wo gehst du hin, wo sind die anderen? Wer legt heute auf im Tresor, E-Werk, Bunker? Du stehst auf der Gästeliste. Wer hat Koks, Pillen, Pilze? Woher kriege ich ein bisschen Kohle? Lädt mich wer zum Essen ein? – Irgendwann wirst du ausgespuckt aus der unaufhörlichen Party; glücklich, wer auf den tagtäglichen Streifzügen einen Freund gefunden hat, der bei ihm bleibt, für länger. Andere enden als abgemagerte Psychowracks, die ihr Leben lang mit Langzeitfolgen des maßlosen Party- und Drogenkonsums zu kämpfen haben: Psychosen, Händezittern, löchrige Nasenschleimhäute, zerstörtes Gehirn, verlorene Illusionen.

Rainer Schmidt hat viele Jahre in der Technowelt von Berlin gelebt und schildert anschaulich, wie die Raveszene in den 90ern tickte. Er ist kein neuer Charles Bukowski, kein Literat, dafür sind seine Satzkonstruktionen oft zu uninspiriert, im Sinne von „fröhlich losprusten“ und „aus dem Raum stolpern“. Zudem stört, dass der allwissende Autor nicht aus der Ich-Perspektive schreibt; so wirkt der Text stellenweise unreif, verliert an Kraft. Techno- und Berlin-Nostalgikern wird er dennoch ein wissendes Lächeln ins Gesicht zaubern.