Marianne Faithfull – Come My Way

Üppige Oberweite in Kombination mit engelhaftem Antlitz genügten dem Rolling-Stones-Manager Andrew Oldham, um die 17-jährige Ex-Internatsschülerin 1964 zum Star aufzubauen. Als probates Mittel für die Charts diente die lauschige Folk-Pop-Ballade „As Tears Go By“ -— eine der ersten Kompositionen, die Mick Jagger und Keith Richards auf Geheiß von Oldham zu Papier brachten. Weitere Experimente mit der eigenwilligen Nachfahrin aus dem östereichischen Adelsgeschlecht von Sacher-Masoch folgten, als anstatt eines LP-Debüts gleich zwei Alben erschienen.

Während MARIANNE FAITHFULL den Beat-Pop jener Zeit widerspiegelte, gelang mit COME MY WAY aus dem Jahr 1965 ein ewig unterschätzer Klassiker des British Folk: Mit noch mädchenhaftem Timbre und im Gespann mit Gitarrist und Produzent Jon Mark präsentiert Marianne Faithfull eine Kollektion spartanisch arrangierter Traditionals: „Jabberwock“, „Portland Town“, „Fare Thee Well“ und „Full Fathom Five“ wanderten schon seit Jahrhunderten auf der britischen Insel von Generation zu Generation. Prinzipiell spiegeln die 14 Tracks die aufkeimende britische Folk-Szene mit surrealen Vertretern wie Pentangle, Incredible String Band und Fairport Convention wider.

Vier stilistisch nicht unbedingt passende Bonustracks hängen an: Michael Farrs „That’s Right Baby“, eine B-Seite von Mai 1966; „Et Maintenant“ von Gilbert Becaud fand sich ursprünglich auf einer EP, und Dylans „Blowin‘ In The Wind“ stammt von einer Session im Jahr 1964. „Sister Morphine“, das später auch auf dem Stones-Meilenstein STICKY FINGERS landete, markiert wiederum das Ende der Unschuld der Swinging Sixties. Eigenwillig produziert von Faithfulls damaligen Lebensgefährten Mick Jagger unter Mithilfe von Arrangeur Jack Nitzsche sowie Ry Cooders virtuosen Bottleneck-Künsten, schildert die damals schon heroinabhängige Faithfull bei ihrer Premiere als Texterin die letzten Stunden eines Sterbenden nach einem Autounfall. Seinerzeit zog die Plattenfirma Decca den Song, der als B-Seite zu „Something Better“ erschien, nach nur zwei Tagen ohne Angabe von Gründen aus dem Verkehr.