Es sind meistens die Platten, die außerhalb der zeitgeistigen Popbezugssysteme stehen, die am Ende – vor manchem lauwarmem bis kaltem Kaffee ganz oben landen in den Jahresbestenlisten – so wie das Debüt von The XX. Annäherungen an dieses Trio (vor kurzem noch Quartett) aus London erfolgen am besten über den Negativbeweis, über das, was nicht da ist. Nicht auf diesem Debütalbum enthalten sind zwei Coverversionen von The XX – „Teardrops“ von Womack & Womack und „Hot Like Fire“ von Aaliyah, das als Bonustrack an der englischen Ausgabe von THE XX hängt. Es geht also um den neuen Soul in Indie. Hier: die postmoderne Umdeutung von R’n’B in atmosphärische, bis auf die Knochen entkernte Lieder, an denen kein Gramm Fett mehr ist, Lieder, die keine Note zu viel kennen. Dass diese ziemlich erwachsenen, in Schwarzweiß festgehaltenen musikalischen Momentaufnahmen von vier Menschen stammen, die zusammen ungefähr so alt sind wie Chuck Berry heute, ist das Erstaunliche an diesem Debüt.

Romy Madley Croft (g, voc), Oliver Sim (bg), Jamie Smith (drummachine) und die Mitte November gefeuerte Keyboarderin Bana Qureshi waren gerade mal um die 20, als sie dieses Album aufnahmen. Was bleibt, wenn man dem Soul sein Übergewicht nimmt: Atmosphäre, Introspektion, Chris-Isaak-Gitarren aus dem Hallraum der Musikgeschichte, gelangweilter, unbeteiligter Gesang, der vor allem in den Duetten zwischen Croft und Sim seine monochromatische Kraft entfaltet, und eine stoische Drummaschine. The XX nennen auf ihrer MySpace-Seite ironiefrei ihre Einflüsse: Aaliyah, CocoRosie, Rihanna, The Cure, Missy Elliott, Chromatics, The Kills, Pixies und Justin Timberlake. Die kann man alle mit mehr oder weniger Fantasie aus diesem Album heraushören. Am auffälligsten ist allerdings die soundästhetische Verwandtschaft zu Young Marble Giants und ihrem phänomenalen 1980er-Debütalbum C0LOSSAL YOUTH. Das Trio aus Cardiff war damals das, was The XX heute sind: die beste Band der Welt. Für einen kurzen Moment.