Califone – All My Friends Are Funeral Singers
Postrock: Keiner dekonstruiert den Blues schöner. Den Songs von Tim Rurili wäre so einiges nachzusagen, dass sie unorthodox oder reichlich verschachtelt seien zum Beispiel, dass sie Wohlklang metastasenartig zersetzen. Langweilig waren sie aber nie. Rutili hat sich mit seiner Band Califone über neun Alben mehr und mehr vom Hauptstrom des Alt-Rock entfernt und eine Sprache gefunden, in der die Buchstaben der populären Musik zerschnippelt, neu zusammengesetzt und sortiert werden. Den 14 Beiträgen auf ALL MV FRIENDS ARE FUNERAL SINGERS ist eine weitere Besonderheit zu eigen, sie entstanden zur selben Zeit wie das Drehbuch des gleichnamigen Films von Rutili, die Band wird das Zelluloidwerk auf ihrer Tournee 2010 zeigen und live begleiten. Das Album steht aber auch komplett für sich. Es verlängert die gute Tradition, in der die Band sich ihr eigenes aus Folk-, Blues-, Rock- und Elektronikelementen bestehendes Universum erobert und formt. Was daraus noch werden soll, weiß der Himmel. Oder Wayne Coyne von den Fläming Lips, der mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit die Rock’n’Roll-Selbstverständlichkeiten unterläuft. Die sechseinhalb genial collagierten Minuten von „Giving AwayTheBilde“ zum Beginn des Albums wird man so schnell nicht vergessen; wie dieses grummelige Etwas, das einmal ein Bass war, die Beats zerschneidet und mitten in eine Minisinfonie mit Bassklarinette führt, die Platz macht für ein Jazzpiano, wie alles seinen Platz verlässt und wieder findet. Wo Tortoise hilflos am Abgesang auf den Postrock arbeiten, spielen Califone schon dessen Trauermarsch. Das Ding ist von seltsamer Schönheit und Unerschrockenheit. Das alles findet auch mit den Mitteln des Folk und hausgemachter Rhythmen statt, dafür haben Califone Mandoline, Banjo, Ukulele, Cello aus der Besenkammer geholt (wie jede gute amerikanische Band das heute tut), Mbira, Marimba und Steel Drums eingeflogen (was schon etwas extravaganter ist), Loops und Synthbass eingesetzt (durchaus cool in diesem Kontext). Kurz gesagt: Keiner dekonstruiert den Blues schöner als Tim Rutili.
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