Jochen Distelmeyer – Heavy
Der Typ bleibt einzigartig. Warum dann keine Höchstwertung für seine erste Pop & Rock-Soloplatte? Es liegt an den Klischees.
Wieso hat Jochen Distelmeyer seine Band Blumfeld aufgelöst, nur um nach zwei Jahren Pause ein Album zu veröffentlichen, welches sehr gut das nächste Blumfeld-Album sein könnte? Ein Album, das sogar als Brückenschlag zwischen den frühen, den mittleren und den späten Blumfeld funktioniert? Er weiß es besser. Woher nimmt er diese ungeheure Überzeugung für Zeilen/Posen wie „Alles was ihrtvisst, ich bin nicht wie ihr-und so wird es immer sein“ (aus „Wohin mit dem Hass?“)? Er weiß es besser. Und wie kommt ein Besserwisser wie er auf die Idee, dass er die Menschen nun auch wieder mit geradeheraus gespieltem, formal wütendem Rock beglücken sollte? (1IEAVV bedeutet allerdings auch: heavy Pop.) Distelmcyer nimmt mit Absicht und aus Kalkül die Haltung des Besserwissers ein. Und wenn die Auflösung seiner Band neben etwaigen personalpohtischcn Erwägungen einem Zweck dienen sollte, dann dem, endgültig nur noch seinen eigenen Namen und sein Gesicht hinzuhalten: Lacht doch, frotzelt, prügelt auf mich ein, ihr kennt die Wahrheit insgeheim – ich weiß es besser. Und selbst wenn man früh um vier zu ihm rüber lugt, unter der Decke hervor, steht da der Distelmeyer, Typ Fels, und durchdringt uns. Mit diesem Blick, herausfordernd in seiner Standhaftigkeit, gleichzeitig vertrauensstiftend offen und klar. Diese Eigenschaften zeichnen auch weiterhin seine Texte aus. Die sind so einmalig deutlich in ihrer Aussage über Liebe, Hass, Sehnsucht und Resignation, dass sie auch manches Textklischee, durch das sie transportiert werden, strahlend durchwirken. So sollten sie eigentlich auch über allen musikalischen Pop-Schcmata stehen, die Distelmeyer benutzt, weil er nicht nur in Nischen hinein singen möchte. Allerdings klappt das nicht immer. Allen Widerstand gegen das gelegentliche Zuviel an Vorhersehbarkeit und Ausgewogenheit gibt man jedoch schnell auf, wenn Distelmeyer The Smiths und Prefab Sprout vermählt („Bleiben oder Gehen“), fordernd den Boogie-Woogie rockt („Hiob“) und mit „Murmel“ ein wunderschönes Lied von der Gleichmut singt. Eine Hängematte aus Trost.
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