Julian Plenti – Julian Plenti Is Skyscraper :: Platte Des Monats

IndierOCK: Das Alter Ego bricht aus und bemächtigt sich seines Publikums!

Runter mit der Maske! Julian Plenti mag ja der Skyscraper sein, er ist aber auch und primär Paul Banks. Wer den nicht kennt: Das ist der Sänger von Interpol. Wer die nicht kennt (der hat ab jetzt was zu tun): Banks ist der Tvp, den Sie aktuell in Paparazzi-Magazinen an der Seite Helena Christcnsens begutachten können. Damit das von vornherein mal klar ist. Als ob man diese zwischen „Ich trenne mir gleich die Pulsadern auf“ und „Ich trenne DIR gleich die Pulsadern auf“ pendelnde Stimme nicht sofort wiedererkennen würde. Als ob das Presseinfo dieses Verwirrspiel auch nur irgendwie aufrechterhalten könnte, indem es komplett auf das Wort „Interpol“ verzichtet. Doch lassen wir Banks seinen Identitätswechsel, lassen wir ihn diese alte Poptradition aufgreifen, wie vor ihm schon David Bowie als Ziggy Stardust, Dämon Albarn als 2D (während seines Britpop-Heydavs auch als Dan Abnormal), Tom Morello als The Nightwatchman, Beyonce als Sasha Fierce und Sasha als Dick Brave. Denn schließlich scheint Banks‘ Bemühen dieser einen Tradition ihn in eine weitere, ungleich bedeutendere zu stellen: in die rundum geglückter Alleingänge von Mitgliedern etablierter Bands. SeuThom Yorkes TIIK KRASKR gab es kein solches Werk mehr, das a) dem Stellenwert der Hauptband nicht geschadet, b) diesen im Gegenteil sogar erhöht, c) die Vorfreude auf ein neues Album der Hauptband geschürt und d) die Begierde nach einer Nachfolgeplatte des Solisten ermöglicht hat. Sagen wir mal so: JULIAN PLENTI IS SKYSCRAPER ist genau so gut, wie Chris Cornells SI’REAM schlecht ist. Also sagenhaft gut. Das Album beginnt wie alle Interpol-Alben: getragen. Würdevoll. Dazu empfängt einen „Only If YouRun“ mit der Wärme, mit der einen damals „Next Exit“ in ANTICS gezogen und Gott weiß wie lang keinen Grund zum „So, ich muss dann mal wieder los“-Sagen gegeben hat. Die für Banks so typische Bedrohlichkeit schleicht sich erst danach ein, unterwandert das griffige, obwohl ohne erkennbaren Refrain auskommende „Fun That We Have“. Ab hier hat er uns unter Kontrolle. „Kow came along with your shaky knees I And you came with fire / And I tvas your maiden with mv tclektnesis“.

singt er. In der Gedichtinterpretation gibt es kein Richtig und kein Falsch: Gut, wir waren skeptisch, wir waren unsicher, dennoch aber voll freudiger Erwartung. Der 31-jährige Wahl-New-Yorker nimmt uns die Zaghaftigkeit, gibt der hohen Erwartungshaltung Recht, gebärdet sich als Dienstleister, als unterwürfiger Knecht, als devote Magd (wer wird denn heutzutage noch Wert auf Geschlechtergrenzen legen?), versetzt uns letztlich aber natürlich dahin, wohin es IHM passt. In eine Zone der Gleichzeitigkeiten. Wo das Psychothriller-Pianoriff von „H“ von einer Melodie wie aus einem japanischen Cartoon über das sorglose Leben eines Pandabärkinds konterkariert wird. Wo stoische Demonstrationen von Interpols Macht wie „Games For Plays“ und Wiegenlieder wie „On The Esplanade“ eine Einheit ergeben. Wo man sich während des zu 80 Prozent beatloscn, beunruhigenden „No Chance Survival“ unterm Bett verkriecht, nur um Sekunden später auf ebenjenem zum enthemmten Upbeat von „Unwind“ (sogar inkl. „The Final Cou ntdown“-esken Keyboardfanfaren) herumzutoben. Songs wie die beiden zuletzt genannten hätte sich keines der drei bisherigen Interpol-Alben leisten können. Hier wird eben doch noch klar, warum es Julian Plenti gibt. Warum Julian Plenti endlich Gehör verschafft werden musste: Diese Seite von Banks wartet seit 1996, seit Banks zum ersten Mal unter diesem Alias eine Bühne betrat, auf ihren großen Ausbruch. Plentis Moment schien bereits zum Greifen nahe, als er in den Credits für das Engineering eines Remixes des Interpol-Songs NARC aufgeführt wurde. Doch dann kamen mit dem Mammutwerk 01’K I.OVIi TO AlttllKE die großen Verpflichtungen, die hohen Top-Ten-Platzierungen, die vielen Auftritte vor Millionen Fernsehzuschauern. Das Alter Ego Plenti musste sich wieder in die abgeschiedenen Seelenregionen Banks* zurückziehen. Hieristernun, der Sprung aus dem eigenen Schatten heraus (der des ach so übermächtigen Ian Curtis ist längst außer Sichtweite). Er gelingt. Plenti-Banks erzielt eine neue Bestmarke. Und natürlich gibt es ein Richtig und ein Falsch in der Lyrikanalysc. Daher wollen wir diese Platte mit dem einzig richtigen, einzig möglichen Zitat aus der Welt der Poesie bilanzieren. Es sind die Worte Underworlds: „Mmm … Skyscraper I Love You.“

www.julianplenti.com

Discoeraphie (Auswahl) mit Interpol Interpol EP (2002) Turn On The Bright Lij-bts (2002) The Black EP (2003) Milics (2004) Dur Lore To Admire (2007)