Apocalypse Jukebox
Rock’n’Roll und das Ende der Welt als Teil und Ganzes der US-Geschichte. Die Frage nach dem Ursprung ist die Grundfrage der Menschheit – es gibt nichts, was es gibt, ohne dass der Mensch sich fragte, woher es kam, wann/wie/wo es entstand. Das ist beim Rock’n’Roll nicht anders als bei der Welt, und hier wie dort sind die Antworten so unterschiedlich wie die Fingerabdrücke derer, die sie geben oder glauben, von der Bibel bis hin zu Urknall und String-Theorie. Edward Whitelock, dessen Leben 1978 von Devo gerettet wurde, und David Janssen, Autor einer preisgekrönten wissenschaftlichen Studie über die Simpsons, „South Park“ und satinscheTraditionen, belegen in ihrem (für sein Thema) erstaunlich witzigen und wortmächtigen Buch, dass der Rock’n’Roll seinen Ursprung, wenn überhaupt, im Ursprung der Geschichte der USA hat und in deren unauflöslicher Verknüpfung mit Apokalypse und Weltuntergang, die sich wie ein roter Faden über die Jahrhunderte durch die Alltagskultur des Landes ziehen, vom „Neuer Himmel, neue Erdc“-Mythos über Krisen und Kriege bis zum 11. September 2001. Folgerichtig handelt Rock’n’Roll immer vom Ende der Welt, folgerichtig beginnt das Buch nicht mit Elvis‘ ersten Aufnahmen in den Sun-Studios oder irgendeinem anderen Gründungsakt, sondern mit einem Meteoritenschauer im US-Süden 1S33. Die einzelnen Kapitel kreisen um bestimmte Künstler und ihr Werk – etwa Arthur Lee, Devo, John Coltrane, Slcater-Kinney, REM, Green Day, Laurie Anderson -, aber der Blick reicht weit über den Rock’n’Roll hinaus, der keine Musik ist und auch kein Produkt, sondern die kulturelle Seele der normalen Bevölkerung eines Landes, dessen historischkollektiven Gemütszustand die Autoren angesichts seiner grundsätzlich apokalyptischen Weltsicht und seiner Zerrissenheit zwischen Schöpfungswillen und der bewusst angestrebten Macht und Fähigkeit, jederzeit den Weltuntergang auszulösen, als „bipolar“ bezeichnen. Selten hat man so witzige und abenteuerliche Gedanken zu diesem Thema gelesen, und selten fiel es schwerer, vor dem Ende zwischendurch mal an etwas anderes zu denken.
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